Gnadenlose Zeiten

Was in der großen weiten Welt jeden Tag geschieht, ist vielfach zum Heulen – und angesichts der eigenen Ohnmacht fast immer auch zum Wegschauen. Bei uns herrschen Recht und Ordnung, aber innerhalb dieses riesigen Raumes von Regeln und Gesetzen gibt es jede Menge Willkür und so schmerzlich wenig Erbarmen. Die Formel des beginnenden dritten Jahrtausends heißt Profitmaximierung. Wer genug hat, will noch mehr, die Gier ist grenzenlos. Damit die Gewinne stimmen, wirft einer wieder zehntausend Leute hinaus – und der Staat selber schreckt vor Einsparungen, speziell bei den Ärmeren ebenfalls vor nichts zurück. Gut, ich male schwarz in schwarz – aber Sie können ja Rosenwasser drüber schütten, damit die Einsicht in die alltäglich stattfinden, unglaublichen Schweinereien nicht so stinken.

Der Taoismus entstand im alten China unter Verhältnissen, die mindestens so übel wie die heutigen waren – mit dem zusätzlichen Extrem, dass überflüssige Menschen einfach zugrunde gehen mussten. Aber die alte Lehre hat ein Mittel gegen diese Zustände geboren: Es ist nicht für die Masse bestimmt, denn die Masse hat noch nie intelligent reagiert. Die Weisheit zielt auf das Individuum, sie zeigt einen Weg, auf dem der einzelne Mensch ohne Furcht vor dem Chaos ringsumher sein Schicksal in die Hand nimmt und selbst- statt fremd bestimmt handeln und entscheiden lernt. Es sind keine Geheimformeln, die nur „Eingeweihten“ oder höchst „Erleuchteten“ zugänglich wären. Die Formeln zu einem gelungenen, erfolgreichen, befriedigenden Leben sind sehr intelligent, aber auch außerordentlich einfach. Und genau diese der Philosophie innewohnende Einfachheit macht ihre Umsetzung so schwierig. Darum habe ich mich in meinen Schriften der Aufgabe verschrieben, das, was Menschen vor fünf Jahrtausenden bereits entdeckt haben, für die Menschen unseres Zeitalters aufzubereiten. Und zwar mit jeder neuen Arbeit zunehmend in einer Form, die eine Umsetzung in die alltägliche Lebenspraxis inmitten aller menschlichen Schwierigkeiten für jeden möglich macht, der des Lesens und Schreibens kundig ist.

Meine Frau hat in diesem Sinne einen Begleittext für mein Buch TAO HEISST LEBEN WAS ANDERE TRÄUMEN geschrieben, den ich Ihnen gerne zur Kenntnis geben möchte. TF

Die vom Irrtum zur Wahrheit reisen, das sind die Weisen,
die im Irrtum beharren – das sind die Narren.
Im Vergleich zu Wu wei, dem Erstling meines Mannes, ist Tao heißt leben, was andere träumen kein rauschender Erfolg geworden. Schuld des Verfassers? Wer Wu wei liest, dem wird beim Gedanken an die taoistische Lebensform richtig wohl. Man beschließt, so zu denken und zu handeln – um dann nach einer oder zwei Wochen festzustellen, dass man wieder im alten Muster, im alten Trott gelandet ist, weil einige der Aussagen des Buches den subjektiven Auslegungen der Leserinnen und Leser wenig Grenzen setzen. Anders äußert sich mein Mann in seinen neueren Titeln: Er macht deutlich, wo Begeisterung für ein Lebenskonzept nach der eigenen Auslegung der Leserschaft nicht genug ist. Es braucht ein bisschen mehr, um fundamentale Veränderungen im eigenen Leben zu realisieren. Theo beschreibt in „Tao heißt leben“ ein Modell der Lebenskunst, das absolut frei ist von esoterischer Schwärmerei und haltlosen Versprechungen. Der WEG, wie es die Taoisten nannten, ist eine Geisteshaltung, die durch die Erkenntnis funktioniert und für ein gelungenes Leben sorgt, dass der Urgrund der Dinge nicht getrennt vom Menschen ist. Der Mensch selbst wäre imstande, sich aus dieser Position heraus eine Welt zu schaffen, in der Sorgen und Probleme zwar im Sinne des Kontrastprogramms von Yin und Yang sinnvoll, sogar notwendig sind, aber am Ende das Gelingen steht.
Es ist schade, dass die Werbung des Rowohlt-Verlages die letzten Arbeiten meines Mannes grundsätzlich als Fortsetzungen von Wu wei offeriert hat – und damit war unvermeidbar die Enttäuschung der Leser verbunden, die darin vielleicht ein Mehr an Versprechungen oder sogar ein Mehr an Material für die eigenen Illusionen gesucht haben. Den Menschen, die an Lebenskunst interessiert sind, zu sagen, dass mit dem echten, unverfälschten Taoismus eine fünftausend Jahre alte Weisheit angeboten wird, welche ihre eigene kleine Welt verändern könnte, sofern sie nur als Realität, als Tatsache an Stelle von Illusionen und trügerischen Hoffnungen verarbeitet würde – das wäre die Werbung, von der Theo und ich uns ein größeres und vor allem positiveres Echo auf sein neuestes Werk hätten erhoffen können.
Vielleicht wird Tao heißt leben, was andere träumen die Zeiten überstehen – und in unserer westlichen Gesellschaft Zustände eintreten, die einen Durchbruch intelligenter Einsichten erzeugen. Dann, vielleicht dann, werden Menschen aus späteren Generationen nach Ihnen und mir vielleicht ausrufen: „Da hat einer schon im Jahr 2009 erkannt, was wir erst heute begriffen haben!“
S.F.

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3 Antworten zu Gnadenlose Zeiten

  1. Taononymus sagt:

    Hallo Sabine und Theo,

    Die Marketingleute des Verlages wissen glaube ich ganz genau was sie tun bzw. taten.
    Die Kombination aus fernöstlicher Exotik, esoterischer Schwärmerei, haltlosen Versprechungen und oben drauf noch ein paar Übungen zum „kosmischen Wohlbefinden“ entspricht einem riesigen Marktsegment, das der Verlag abschöpfen will oder muss, je nachdem wie man’s sieht.

    Wu Wei ist von seinen ganzen Grundgedanken und Aussagen her noch so allgemein und dehnbar formuliert, dass es sehr gut in diesem Marktsegment mit segeln und dabei eine bunt gemischte Menge Leute an Bord holen konnte.
    Wenn auch die oben überspitzt gezeichneten Charakteristika dieses Marksegments speziell für Wu Wei so nicht in allen Punkten zutreffend waren, die Unterschiede wurden von den meisten Lesern nicht wahrgenommen oder als „die Erwartungshaltung störend“ ausgeblendet.

    Wenn nun im Laufe der vergangenen Jahre Theo Fischers Gedanken und Aussagen spezifischer und praxisnaher geworden sind, die fernöstliche Exotik sich als „schwierig umzusetzende Philosophie“ dargestellt hat, in die regenbogenfarbenen Seifenblasen esoterischer Illusionen mit der Nadel hineingestochen wurde, die Anti-Ich- und Anti-Denken-Dogmen der Buddhisten über Bord geworfen und auch noch autobiographische Alltagsgeschichten statt Übungsanleitungen zum Hirnverrenken geschrieben wurden, dann ist das Boot zu weit aus dem oben beschriebenen Marktsegment hinaus gesegelt. Auch fand sich eine ganze Menge Passagiere mittlerweile „auf dem falschen Dampfer“ sitzend und musste aussteigen.

    Das Marktsegment wurde vom Autor somit verlassen. Von den vielen Leuten, die für Wu Wei geschwärmt haben, wollen die Allermeisten leider immer wieder etwas, das sie als vergleichbar wahrnehmen und einordnen können, nur ein bisschen anders verpackt und mit den derzeit gerade modernen Farbtupfern verziert. Mit sowas wie „Quantentaoismus“ oder ähnlicher Neo-Esoterik wäre man da derzeit eventuell ganz gut dabei, aber das ist offensichtlich nicht der Weg, den Theo Fischer gegangen ist.

    Was soll der Verlag in der Situation nun anderes machen als im Marketing zumindest so zu tun als ob Theo Fischer immer noch „wie Wu Wei“ schreibt? Aus Sicht des Verlages jedenfalls ist die weitere Entwicklung hier glaube ich sehr absehbar.

    Grüße ins Piemont und ein schönes Wochenende,
    Taononymus

    • Sabine sagt:

      ja, lieber Taononymus, das ist völlig richtig erkannt, was aber nichts daran ändert, dass es mit der Zeit einen gewissen Frust erzeugt, den auch ein Taoist sich leisten darf;-)
      Grüße aus dem Piemont und ebenfalls ein schönes Wochenende
      Sabine

  2. gitti haas sagt:

    also ich las VOR wu-wei die sogenannten weichspüler-welness-positiv bücher.theo fischer war der erste schriftsteller bei dem ich mich persönlich angesprochen fühlte.übrigens fand ich das buch wu-wei in meiner kleinen buchhandlung in der abteilung religion und philosophie.
    besonders möchte ich auf das buch das tao der selbstfindung von theo fischer hinweisen, denn ohne selbsterkenntnis erkennt man das tao nicht.

    liebe grüße vom wolfgangsee gitti

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