Neues vom Glück?

In einer Broschüre über Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt fand ich einen halbseitigen Werbetext für ein Buch über das Glück. Die Autorin oder ihr Verlag wirbt mit präzisen Versprechungen: „Werden Sie jetzt von einem Tag auf den anderen ein glücklicherer Mensch. — Wenden Sie den Inhalt dieses Buches an, so kommt und bleibt das Glück bei Ihnen. — Ihnen zu zeigen wie Sie Ihre Lebensspur zum dauerhaften Glück lenken und dauerhaft glücklich bleiben.“

Das ist ein Angebot, dem zu widerstehen schwer fällt. Schon Erich Fromm äußert sich zur Sehnsucht des Menschen in diesem Sinne: Die Menschen wollen glücklich werden und es bleiben. Mitten ins Herz dieser Sehnsucht trifft ein Buch, das Rezepte für dauerhaftes Glück in Aussicht stellt. Die Nachfrage dürfte Arbeiten, die im Geist des Tao verfasst den Menschen auf sich selbst als seines Glückes Schmied zurückwerfen, weit in den Schatten stellen. Hier wird geboten, was das Volk so dringend braucht: eine Wegbeschreibung zum Glück samt Garantieschein für das Gelingen.

Ob ich das Buch kaufen werde? Nein, das nicht. Aber vielleicht sollten Sie es lesen – und beim Umsetzen der Inhalte eine interessante, leider gar nicht besonders neue Erfahrung machen: Was passierte damals, als ein Herzenswunsch sich erfüllte, und sich ein anhaltender Rausch von Glück hätte einstellen müssen? Die Freude schwang empor wie ein Glockenton – und verklang. In Ihrem Sinn machte sich stattdessen Leere breit, das Syndrom vom Verrat erfüllter Wünsche tat seine Wirkung. Unser Geist ist gar nicht mit der Fähigkeit ausgestattet, andauernd Glücksgefühle zu produzieren. Wir brauchen das Kontrastprogramm der Gegensätze. Nur wer sich dem Wechselspiel von Freude und Trauer, Glück und Leid, Erfüllung und Enttäuschung voll und ganz öffnet, wird dafür mit einem reichen Gefühlsleben belohnt. Ein von allen Tiefen befreiter Gefühlshaushalt kann nur in einen Zustand der Monotonie führen. Und ich kann mir gut vorstellen, dass ein Mensch, dem diese Nivellierung dank ausgefeilter Systeme zum Glücklichbleiben gelungen ist, früher oder später der emotionalen Monotonie entflieht, ausbricht und aufs Eis geht, wie dem Esel, dem es zu wohl wird.

Laotses 81. Spruch beginnt mit dem Satz: „Wahre Worte sind nicht schön, schöne Worte sind nicht wahr.“ Das mag auch auf das oben Gesagte zutreffen und ich möchte diesen Beitrag beenden, indem ich Chuang tzu das letzte Wort zum Thema Glück überlasse:
Nun weiß ich nicht, ob das, was die Welt tut, was sie für Glück hält, tatsächlich Glück ist oder nicht. Wenn ich das betrachte, was die Welt für Glück hält, so sehe ich wohl, wie die Menschen in Herden diesem Ziel nachstreben und ihr Leben in die Schanze schlagen, als könnte es nicht anders sein, und alle sprechen, das sei das Glück. Aber Glück und Unglück liegt für mich noch nicht in diesen Dingen. Ich halte das Nichthandeln für wahres Glück, also gerade das, was die Welt für die größte Bitternis hält.

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4 Antworten zu Neues vom Glück?

  1. Erna sagt:

    Wer war Chuang tzu? Das Zitat erinnert mich jedenfalls an die Geschichte von dem alten Mann und den Wildpferden, die sich in sehr ähnlichen Varianten an diversen Stellen im Netz findet – sie passt wohl auch hierher?
    http://www.hierjetzt.de/nc/zen-und-sufi-geschichten/geschichte/artikel/wenn-die-wildpferde-kommen.html
    Gruß
    Erna

    • Theo Fischer sagt:

      Hallo Erna,
      Chuang tzu – auch Dschuang dsi geschrieben, ist nach Laotse wahrscheinlich der einzige taoistische Weise, dessen Schriften uns mit nur einem Minimum buddhistischer Beimischung erhalten geblieben sind. Unter dem Titel „Das wahre Buch vom südlichen Blütenland“ gibt es im Handel eine Zusammenfassung seiner Werke – mein Exemplar hat damals der Diederichs Verlag herausgegeben. Wie außer ihm (leider) nur Laotse und einige wenige Dichter späterer Perioden – wie z.B. Han Shan – hat in der Vergangenheit kein Mensch sich um die Verbreitung des reinen, unverfälschten taoistischen Gedankengutes gekümmert. Was wohl nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass sich der Taoismus mangels Geboten und Belohnungen kaum als religiöses Machtmittel missbrauchen lässt.
      Die Geschichte vom Mann und dem Hengst, der entlaufen ist und dann mit einer Herde Stuten zurückkehrt ist eine längere Story, in der zum Beispiel der Sohn des gleichen Mannes sich ein Bein bricht, wodurch er den Rekrutierern des Kaisers, die ihn sonst zum Militär eingezogen hätten, entkommt. TF

      • Rosemarie Widera sagt:

        Hallo Herr Fischer,

        danke für Ihre wunderbaren Veröffentlichungen.

        „Glück“ ist gerade in Mode, jeder sucht es, jeder will es, viele verdienen Geld damit, den Menschen einzureden, wenn sie nur dieses tun und jenes lassen, dann seien sie glücklich.

        Über Tao kann man nicht sprechen, man kann es nur leben.
        Wie passt das in unsere global vernetzte und schnell-informative Zeit?

        Herzliche Grüße
        Rosemarie Widera

        • Theo Fischer sagt:

          Hallo Frau Widera,
          das Tao passt überhaupt nicht in diese verrückte Welt, in der der Mensch, sobald er als Masse auftritt, keinen Hauch von Intelligenz mehr äußert. Würden die Völker an Stelle ihrer weltweiten Religio-nen – vielleicht nur als Zusatz – die Grundideen des Taoismus um-setzen, hätten wir bald andere Verhältnisse. TF

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