Das Tao in Zeiten von Corona 2

Der Sinn, der sich aussprechen läßt,                                                                                                ist nicht der ewige Sinn.                                                                                                                          Der Name, der sich nennen läßt,                                                                                                         ist nicht der ewige Name.

So beginnt der erste Spruch aus Laotses Tao te king. Vielleicht erklärt er ja besser, warum alle philosophischen Erklärungsversuche uns in solchen schwierigen Zeiten nicht wirklich weiterbringen.                                                                                                                                   Und ich versuch’s auch noch mit zwei Bildern. Das obere ist ein Maulbeerbaum, der auf unserer Wiese steht.  Ich weiß nicht, wie alt er ist, vielleicht 100 Jahre. Vor einigen Jahren ist er in einem sehr kalten Winter mal fast erfroren. Aber schaut ihn an, ist er nicht eine wunderbare Erklärung für das Tao?                                                                                              Das untere Bild habe ich vor einigen Tagen an der Hauswand aufgenommen. Es ist die Larve eines Heupferds, so groß wie der Nagel meines kleinen Fingers. Was Besseres fällt mir als Erklärung jetzt nicht ein!                                                                                              Sabine

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Das Tao in Zeiten von Corona

In den letzten Wochen habe ich eine interessante Feststellung gemacht.  Sowohl auf den Ferienhausportalen als auch auf meiner Website Cascina la Costa gibt es kaum noch Besucher. Ist nicht weiter verwunderlich, ich würde im Moment auch keine Reise nach Italien planen. Dafür ist aber jede Menge Betrieb auf diesem Blog hier und auf der TonundTao Seite.

Ich wage jetzt mal eine Interpretation.

Die Menschen sind verunsichert, haben zum Teil wirklich Angst. Und suchen jetzt eine Erklärung – außerhalb der wissenschaftlichen Erklärung – und vielleicht auch ein Rezept, wie man mit all dem umgeht. Und erinnern sich daran, es gab da mal was, nannte sich Tao. Oder sie entdecken es ganz neu, z.B. über ein Buch.

Und jetzt? Das Tao ist kein Gott, zu dem man beten kann, dass dieses Virus so schnell wieder verschwindet wie es gekommen ist. Es ist auch kein Rezept, das ich eben mal anwende, wenn ich mich in einer schwierigen, möglicherweise auch gefährlichen Situation befinde. Genauso wenig, wie es eine Philosophie ist, nach der ich nur in Friede-Freude-Eierkuchen-Zeiten lebe.

Der Taoismus ist eine ganzheitliche Lebensphilosophie, die nur dann wirklich funktioniert, wenn ich sie immer und in allen Lebensbereichen anwende.

D.h. es gibt Dinge, die ich tun kann und auch tun sollte, nämlich weder mich noch andere durch Leichtsinn gefährden, und es gibt Dinge, auf die ich keinen Einfluss habe, das Virus ist nun mal da.

WuWei heißt nämlich nicht – wie es oft mal missverstanden wird – generelles Nichtstun, sondern es heißt, dann handeln, wenn der richtige Zeitpunkt da ist, die Füße still halten, wenn es nicht der richtige Zeitpunkt ist. Die beiden Dinge voneinander zu unterscheiden, ist vielleicht das wirklich Schwierige am Taoismus.

Das Tao wird nicht verhindern, dass das Virus sich weiter ausbreitet, das können nur wir selber tun. Aber das Tao kann – vielleicht zusammen mit dem Virus –  bewirken, dass wir uns mal wieder auf das Wesentliche besinnen, dass wir erkennen, mit wie viel Hohlem und Unwesentlichem wir uns täglich umgeben, und dass wir das zum Anlass nehmen, unser Leben und unsere Einstellung dazu ein bisschen zu verändern.

 

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An der Quelle des Tao 42

Das Tao erzeugt die Eins. Die Eins erzeugt die Zwei.

Die Zwei erzeugt die Drei. Die Drei erzeugt alle Dinge.

 Alle Dinge haben im Rücken das Dunkle und streben nach dem Licht,

und die strömende Kraft gibt ihnen Harmonie

Laotse skizziert im 42. Spruch in wenigen Sätzen die Schöpfungsgeschichte. Sie ist allerdings nur erkennbar, wenn man davon ausgeht, dass das Universum nicht wie es in der Bibel steht, Stück für Stück von einem recht menschenähnlichen Schöpfer erschaffen wurde, der dann zum Schluss, sozusagen als Krönung, nach seinem Ebenbild uns Menschen in die vorgefertigte Welt setzte. Wenn wir hingegen Stephen Hawkings These vom Universum in der Nussschale akzeptieren, dann waren alle Dinge – die Taoisten sagen Die zehntausend Dinge dazu – am Anfang hoch komprimiert als schiere Energie in einem vielleicht nur erbsengroßen Kern enthalten. Wo dieser allerdings herkam, darüber schweigt die Theorie. Vielleicht waren es die komprimierten Reste einer älteren schöpferischen Versuchsreihe, wer weiß. Laut Laotse hat sich das Universum im Verlauf der Evolution selbst organisiert. Als Buchtipp darf ich Ihnen eine Arbeit von Professor Hermann Haken vorstellen, die sich umfassend mit Synergetik, der Lehre vom Zusammenwirken befasst. Haken legt darin die Formel offen, wie die Zehntausend Dinge der Taoisten sich selbst organisieren, unabhängig davon, ob es sich um unbelebte Phänomene wie Steinformationen, um animalische Lebensformen oder um den Menschen selbst samt seinen soziologischen Verhaltensmustern handelt.  Wer sich vorurteilslos mit solchen Aussagen befasst, deren Glaubwürdigkeit für mich (mit einigen Ausnahmen) außer Frage steht, beginnt zu ahnen, dass wir von Laotse ebenso wie von der Wissenschaft mit einer Ursprungstheorie konfrontiert werden, die keine Ähnlichkeit mehr mit unseren alten Grundannahmen hat. Wenn Sie sich mit der Vorstellung eines Universums anfreunden, das sich bis zurück zum Urknall mit allen seinen Erscheinungen selbst, und vielfach frei nach Darwin nach dem Zufallsprinzip organisiert hat, dann stellt sich zwangsläufig die Frage, ob dieses Etwas, das sich hinter dem Sicht- und Erlebbaren hypothetisch befinden müsste, in der gesuchten Form womöglich gar nicht existiert, weil es im Wahrgenommenen bereits implizit ist. Wäre es nicht vorstellbar, dass die von den Religionen in Glaubenslehren verwandelten Resultate der Evolution bereits die Antwort selbst sind? Was bedeuten würde, dass Kernphysiker mit der Beschreibung subatomarer Versuchsreihen zugleich den Ursprung definieren würden, mit dem sie zu allem Überfluss auch noch identisch sind. Weiterlesen

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heute vor 6 Jahren ist Theo gestorben. Das Foto ist 2 Monate vor seinem Tod aufgenommen, an seinem 82. Geburtstag.

Eigentlich ging es ihm zu der Zeit auch noch relativ gut. Aber wir wußten, dass das Ende absehbar war. Aber bis zu  einer Woche vor seinem Tod ist er immer den ganzen Tag auf gewesen, hat mal ein paar seiner geliebten Rosen geschnitten, sich mit unseren Gästen unterhalten, ein bisschen Schach gespielt.

Erst in der letzten Woche vor seinem Tod ist er nicht mehr aufgestanden. Und so schwer diese Woche war, werde ich immer dankbar dafür sein, dass er in Ruhe zu Hause in seinem eigenen Bett sterben konnte. Und dass ich Freunde hatte, die ich anrufen konnte, als es passiert war, und dass meine Freundin Silvana sofort kam und sich um die notwendige Bürokratie  gekümmert hat. Und dass in den darauf folgenden 2 Tagen, in denen Theo hier in der Cantina aufgebahrt lag, so viele Menschen aus Murazzano und Umgebung gekommen sind, um  von ihm Abschied zu nehmen.

Und dass auch seine Einäscherung nur mit 2 Freunden und dem Bürgermeister so war, wie er es gewollt hätte.

Jetzt steht seine Urne unten im Garten, ab und zu gehe ich hin, aber es hat keine große Bedeutung für mich. Es ist Asche. Sein Geist lebt hier weiter

 

 

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An der Quelle des Tao 5

Himmel und Erde sind nicht gütig. Ihnen sind die Menschen wie stroherne Opferhunde.

Der Berufene ist nicht gütig. Ihm sind die Menschen wie stroherne Opferhunde.

Der Zwischenraum zwischen Himmel und Erde ist wie eine Flöte,

leer und fällt doch nicht zusammen; bewegt kommt immer mehr daraus hervor.

Aber viele Worte erschöpfen sich daran. Besser ist es, das Innere zu bewahren.

Dieser fünfte Spruch aus dem Tao te king wäre wohl das Letzte, was ein Texter in einen Werbeprospekt für den Taoismus aufnehmen würde. Er sagt auf den ersten, eigentlich auch auf den zweiten oder dritten Blick nichts aus, was einen Menschen auf der Suche nach dem Sinn ansprechen könnte. Die Aussage zeichnet offenbar das Bild einer Philosophie ohne Mitgefühl und wirkt ziemlich abschreckend auf den Betrachter. In einer anderen Übersetzung des Spruches wird die Negation noch deutlicher: „Die Natur (das Tao) ist ungütig.“ „Der Weise ist ungütig.“ Im Grunde bewundere ich Laotses Mangel an Hemmungen, die Lehre vom Tao so kompromisslos vorzutragen. Ihm fehlen alle Bedenken vor möglichen Missverständnissen, hier wird dem Leser und Nachfolger eine Menge abgefordert. Weiterlesen

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An der Quelle des Tao 49

Der Berufene hat kein eigenes Herz. Er macht das Herz der Leute zu seinem Herzen.

Zu den Guten bin ich gut, zu den Nichtguten bin ich auch gut;

denn das LEBEN ist die Güte.

Zu den Treuen bin ich treu, zu den Untreuen bin ich auch treu;

denn das LEBEN ist die Treue.

Der Berufene lebt in der Welt ganz still und macht sein Herz für die Welt weit.

Die Leute alle blicken und horchen nach ihm.

Und der Berufene nimmt sie alle an als seine Kinder.

 

In seinem 49. Spruch modelliert Laotse das Bild eines Menschen, der die Grundsätze der taoistischen Philosophie umfassend verstanden hat und sie in seinem Leben in die Praxis umsetzt. Mir gefällt die Abwesenheit von Forderungen in diesem Text. Nirgendwo steht: „du sollst, du musst“ oder gar „wehe wenn du nicht.“ Laotse beschreibt den Zustand seines eigenen Herzens und er legt unmittelbar ein Bekenntnis über sein eigenes Verhalten anderen Menschen gegenüber ab. Eigentlich spricht der Text eine so klare Sprache, dass eine Erläuterung beinahe zum Vergehen an dieser Klarheit wird. Denn deutlicher lässt sich die Thematik des umfassenden Mitgefühls, der praktizierten kollektiven Identität mit so wenigen Zeilen kaum darstellen. Weiterlesen

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Dao

Ein Leser der Taobaustelle hat mir ein Gedicht geschickt, das ich gerne hier veröffentliche.

                                 In fernen Tagen, wenn

                                 Licht und Finsternis,

                                Herz und Verstand,

                               Wasser und Stein,

                               Welle und Teilchen,

                               Gedanke und Erinnerung,

                               Durch nichts

                              Sich unterscheiden,

                             Werden wir eingehen

                            In die Ewigkeit

                           Von Raum und Zeit

                           Am Ziel einer langen Reise,

                          Und niemand wird

                         Je von ihr erzählen.

                        Poetische Schwingungen,

                        Zarter Klang stummer Töne,

                       In allen Farben

                       Konturloses Schweigen.

                      Der Morgen danach

                     Wird ertrinken im Meer

                     Unendlicher Schönheit.

                                       (Matthias Stark)

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An der Quelle des Tao 47

Ohne aus der Tür zu gehen, kennt man die Welt.

Ohne aus dem Fenster zu schauen, sieht man den SINN des Himmels.

Je weiter einer hinausgeht, desto geringer wird sein Wissen.

Darum braucht der Berufene nicht zu gehen und weiß doch alles.

Er braucht nicht zu sehen und ist doch klar.

Er braucht nichts zu machen und vollendet doch

In seinem Buch Der Lauf des Wassers weist Alan Watts auf die Verbindung zwischen Laotses Frage „Woher weiß ich dies alles?“ und „Ohne aus der Tür zu gehen, kennt man die Welt“ hin. Rupert Sheldrake betont in seinem Titel Das Gedächtnis der Natur gleichfalls diese Aussage. Er berichtet, wie Vögel und Säugetiere irgendwo auf der Welt in einer begrenzten Region neue Techniken der Nahrungsbeschaffung oder des Überlebens entdecken. Ohne Kontaktmöglichkeit zu Angehörigen der gleichen Gattung in anderen Erdteilen überträgt sich dieses Wissen dennoch auf geheimnisvolle Weise fernwirkend auf ihre Artgenossen. Sheldrake lässt uns in seinen Fallbeispielen wissen, wie eng die Dinge auf einer in der Natur gar nicht so unsichtbaren Ebene miteinander verbunden sind. Weiterlesen

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An der Quelle des Tao 27

27

Ein guter Wanderer lässt keine Spur zurück. Ein guter Redner braucht nichts zu widerlegen.                                                                                                                                                 Ein guter Rechner braucht keine Rechenstäbchen. Ein guter Schließer braucht nicht Schloss noch Schlüssel,  und doch kann niemand auftun.                                                         Ein guter Binder braucht nicht Strick noch Bänder, und doch kann niemand lösen.

Würde Sie in diesem Moment jemand auffordern, ihm zu beschreiben, wie Vanillepudding mit Himbeersauce schmeckt, blieben Ihnen nur zwei Möglichkeiten: Entweder Sie würden mit Begriffen wie ‚aromatisch-süß’ und ‚herb-fruchtig’ Hinweise zu geben versuchen, die kein Mensch verstünde, der diesen Nachtisch noch nie gekostet hat oder Sie würden gleich passen, weil sich über Erlebnisse der Geschmacksnerven vielleicht streiten, aber einem anderen verbal unmöglich verständlich machen lässt. Wer jedoch jemals Vanillepudding mit Himbeersauce aß, wird auf der Stelle um ihren Wohlgeschmack wissen, weil in den Zellverbänden seines Gehirns die Erinnerung an das Gaumenerlebnis gespeichert ist. Entsprechend der Schwierigkeit, eine Erfahrung zu schildern, die nur jene verstehen, denen sie schon einmal widerfuhr, stellte sich einst Laotse das Problem, wie er seinem Publikum das Phänomen Intuition nahe bringen sollte. Ihm blieb als Alternative zu metaphysischem Geschwätz nur das Gleichnis übrig – und dessen bedient er sich in seinem 27. Spruch. Weiterlesen

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An der Quelle des Tao 41

41
Wenn ein Weiser höchster Art vom Tao hört,
so ist er eifrig und tut danach.
Wenn ein Weiser mittlerer Art vom Tao hört,
so glaubt er halb, halb zweifelt er.
Wenn ein Weiser niedriger Art vom Tao hört,
so lacht er laut darüber.
Wenn er nicht laut lacht,
so war es noch nicht das eigentliche Tao.

Die feine Ironie des Meisters, die in diesen einleitenden Zeilen des 41. Verses zum Ausdruck kommt, setzt sich mit der Torheit so genannter Erleuchteter auseinander. Der Weise höchster Art ist im Grunde die Karikatur eines Weisen. Er gibt vor, alles zu verstehen und führt dies durch ein theatralisches äußeres Verhalten vor. Dieser Typ hat deutlich Ähnlichkeiten mit jenen Gurus, die aus Indien zu uns kamen, um dem westlichen Menschen die Erleuchtung zu bringen. Sie machten ihr Glück, richtiger, ihr Vermögen bei uns, weil ihr exotischer Reiz und ihre kryptischen Verheißungen von Erleuchtung, freier Liebe und Besitzlosigkeit eine große Zahl von Narren anzog, die ihnen folgten wie einst die Kinder dem Rattenfänger von Hameln. Laotse drückt aus, dass der „höchste“ Weise übertreibt, an anderer Stelle setzt er seine Kritik an diesem Menschentyp fort, indem er diesen höchsten Weisen mit einem Tal vergleicht, wobei Tal hier für Hohlraum steht, wie Chuang tzu dazu vermerkt. Der höchste Charakter scheint ungenügend – sein äußeres Auftreten ist Schauspielerei, die seine Hohlheit verbirgt. Obendrein entlarvt sein Eifer flagrant seine Unkenntnis, wie Nichthandeln funktioniert. Es ist schrecklich, ein solcher Weiser zu sein, der seiner Welt ohne Pause beweisen muss, wie weise er ist, dessen gesamtes äußeres Verhalten vor Weisheit trieft, der sich Fehlerfreiheit aufs Panier geschrieben hat – und damit ein extrem hohes Maß an Unfreiheit als Preis für sein Image als Weiser bezahlt. Krishnamurti beschuldigte diese Art von Gurus, sie würden ihre Nachfolger zerstören, damit aber zugleich sich selbst. Weiterlesen

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