Der Fasan im Sumpf

Ein Fasan, der in einer sumpfigen Gegend lebt, muss zehn mühsame Schritte machen um zu einem einzigen Bissen Futter zu kommen. Will er trinken, muss er gar erst hundert Schritte tun. Trotzdem verlangt es ihn nicht nach einem Käfig, in dem er alles haben könnte, was ihm gefällt.
Chuang tzu

In den letzten zwei Jahren fiel mir bei Gesprächen mit Leserinnen und Lesern im Rahmen meiner Ferienkurse ein Merkmal auf, das vielen Menschen, denen ich begegnete, gemeinsam war: Sie hatten unter Druck und Repressionen im Beruf zu leiden – und dies oftmals bei gut bezahlten und nicht unbedingt niederen Positionen. Vielleicht war gerade die positive Seite ihrer Tätigkeit der Grund, warum sie sich den Schikanen so wehrlos ausgeliefert fühlten. Es ging eben nicht nur um „Peanuts“, sondern stand ein relativ angenehmes Privatleben auf dem Spiel, wenn die Stellung verloren ginge. Vielen unter Ihnen als Leserin, Leser dieses Beitrags könnte es bereits ähnlich ergangen sein – oder könnte ein entsprechendes Ereignis vorab schon seine dunklen Wolken ankündigen. Sie gleichen dem Fasan im Käfig, der Futter und Wasser findet, ohne symbolisch schwierige Wege zurücklegen zu müssen. Die Alternative Chuang tzus ist der Fasan in der sumpfigen Gegend. Er hat es nicht mehr ganz so leicht, an Nahrung und Wasser zu kommen – aber er ist frei von all jenen Drangsalen der Käfighaltung. Naturschützer ereifern sich zu Recht gegen Hennen in Legebatterien. Aber wer bitte schützt ausgewachsene Menschen vor der psychisch-emotionalen Batteriehaltung, die bis hinauf in  hohe Positionen geht?
Dagegen gibt es nur ein einziges Rezept – das ich übrigens mein Leben lang grundsätzlich angewandt habe: ich habe mich verweigert. Auf das Risiko hin, dass es nur schwer weitergeht. Und es ist einige Male schwer weitergegangen. Aber es ging weiter. Nach einem solchen Befreiungsschlag werden Energien wach, die das Geschick zum Guten wenden. Nicht über Nacht, und nicht ohne sehr, sehr aktive Selbstbeteiligung des Betroffenen. Sabine und ich simd über die Jahrzehnte hinweg durch etliche Krisen dieser Art gesteuert – und wer uns kennt, weiß, wo wir heute stehen. Jede, jeder von Ihnen hat die Wahl des Fasanen: ob er im Käfig bleibt – oder ausbricht und lieber eine zeitlang im Sumpfland überlebt. Chuang tzus Fasan wird und muss nicht dort bleiben – es ist dies eben der Übergang des Risikos, der Käfighaltung für alle Zeiten zu entkommen. Und das Letzte, was diesen Leuteschindern ins Konzept passt, ist ein Mensch, der sich deren Mustern der Unterdrückung und Schikane widersetzt. Oft genügt sogar schon die ernste Drohung, aus dem Käfig auszubrechen, dass die Dummköpfe der oberen Etage nachgeben, allein schon aus Furcht, das Beispiel könnte Schule machen. Also: auf geht’s, auf die sumpfige Wiese, lieber Fasan.

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21 Antworten zu Der Fasan im Sumpf

  1. Taononymus sagt:

    Liebe Fischers,

    dass Verweigern, „den Bettel hinschmeißen“ sowie Eingehen der entsprechenden Risiken sich im weiteren Verlauf des Lebens als segensreiche Befreiungsschläge herausstellen können, das kann ich aus eigener Erfahrung nur bestätigen 🙂

    Was jedoch ebenso zu meinen Erfahrungen mit „dem Chef kündigen und Aussteigen“ gehört, das ist die Gültigkeit der simplen Regel, dass zum einen Entwicklungen in der Umwelt davon unbeeindruckt weiter laufen, und das zum anderen man selbst sich durch solche Erfahrungen zwar verändert, man sich selbst aber keineswegs hinter sich zurücklassen kann.

    Daß ein Vorgesetzter beispielsweise durch die Kündigungsdrohung eines Mitarbeites einlenkt oder gar umdenkt, das mag es in Ausnahmefällen geben, in der Regel ist jedoch genau das Gegenteil der Fall. Wer mit Kündigung droht, steht meist schneller draußen als er erwartet hat. Anschließend, meist sogar schon im Vorfeld ergeifen dann die in der Chefetage Zurückgebliebenen (im doppelten Wortsinn 😉 ) begierig die Gelegenheit, sich den Mechanismus des „Sündenbocks“ zu Nutze zu machen., d.h. möglichst viele, am besten alle, Probleme der Abteilung oder der Firma in der Person des weggehenden Mitarbeiters zu manifestieren. Und oft genug ist diese Methode sogar selbst die Ursache, die den Mitarbeiter ein Hinschmeißen überhaußt in Erwägung hat ziehen lassen. Die Reinigungsfunktion, die der Weggang des so zum Sündenbock aufgebauten Mitarbeiters dann hat, erspart wirksam die viel unangenehmere Auseinandersetzung mit den kaputten Strukturen Firma. Nachdem „das Problem“ weg und ein „unproblematischer“ Neuling eingestellt ist, kann in der Chefetage endlich wieder die „Friedhofsruhe der Guten und Gerechten“ einkehren. Gut und gerecht ist man ja allein schon deshalb, weil der Scheidende durch seine ach so vielen „Verfehlungen“ ja hinreichend bewiesen hat, dass er einer ist, der „die Hand beißt die ihn füttert.“. Und als guter und gerechter Chef steht man hier natürlich „in der Verantwortung“.
    Sollte also jemand, der weggeht, überhaupt noch Gedanken an das hinter ihm liegende verschwenden wollen, so sollte er/sie sich darüber im klaren sein, dass er durch seine Verweigerung und sein „Hinschmeißen“ die zurückbleibenden Strukturen stärkt statt schwächt.

    Zum Zeitpunkt meines „Verweigerns und Hinschmeißens“ waren mir jedoch all solche Überlegungen von ganzem Herzen egal, genauso übrigens wie die Frage nach dem, was „danach“ irgendwann kommen könnte. Ich war statt dessen voll auf die vor mir liegende, intensive Zeit der Veränderungen, der Auf- und Umbrüche und der Suche ausgerichtet. Und rückblickend war wohl diese Offenheit und Freiheit von und für alles, geparrt mit der Verwiegerung jeglicher Gedanken an eine „Resozialisierung“ genau das, was diese Zeit für mich am fruchtbarsten hat werden lassen.

    Und doch kam unweigerlich irgendwann der „dritte Akt“ einer solchen Übung des Verweigerns und Bettel-Hinschmeißens. Und der beginnt an dem Punkt, wo man sowohl in der Umwelt als auch in sich selbst den Bereichen wieder begegnet, die unverändert geblieben sind, die nach wie vor ungelöste „Knoten“ des eigenen Lebens verkörpern und zu deren Lösung keine noch so hartnäckige oder häufige Verweigerung, keine noch so weite Reise, keine neue Beziehung und kein neuer Job beitragen kann.
    Natürlich bin ich nach so einer Hinschmeiß-Erfahrung nicht mehr der gleiche Mensch, sehe die Umwelt in vieler Hinsicht anders, habe hinzugewonnen an „Bewältigungsstrategien“, kann mich gegenüber meiner Umwelt völlig anders verhalten als vorher. Hierin liegt für mich der große Gewinn, der die eingegangenen Risiken rückwirkend mehr als erwartet rechtfertigt.
    Aber nun vor all dem die Augen zu verschließen, das sich mir am Ende dieses Weges an unliebsamen alten Bekannten in neuem Gewand präsentiert, oder gar erneut mit Verweigerung und Bettel-Hinschmeißen darauf zu reagieren, das gleicht für mich dem Verhalten von Menschen, bei denen Verweigerung zu einem eingefahrenen Muster degeneriert ist, mit dem sie der Begegnung mit den härteren „Nüssen“ ihrer eigenen Persönlichkeut und ihrer Umwelt immer wieder „gekonnt“ ausweichen.
    Den persönlichen Preis, den solche Dauer-Verweigerung am Ende kostet, den kann ich in meiner Familie mehr als zur Genüge beobachten. So viele Risiken diese Menschen auch eingegangen sind, bezahlt haben dafür in der Regel zunächst einmal ihre Mitmenschen, die hinter ihnen aufräumen, sie stützen oder gar „auffangen“ durften. Und trotzdem ist bei den Dauerverweigerern von „Befreiung“ auch nach mehreren solcher Hinschmeiß-Runden nicht viel zu spüren. Im Gegenteil, nachdem auch die zehnte Arbeitssituation verlassen, die zweite und dritte „kreative Auszeit“ genommen und die fünfte Liebesbeziehung beendet ist, erscheinen mir solche Menschen mit erschreckender Regelmäßigkeit in einer sackgassenartigen Lebenssituation fest gefahren zu sein. Und ironischer Weise sind sie dies sogar sehr oft als gut versorgte Insassen eines goldenen Käfigs.

    Wenn für mich also Dauer-Verweigern und Immer-wieder-Hinschmeißen keine Lösung ist und wenn die Frage nach dem Berufsleben für mich mangels entsprechendem Lebensalter nicht ohnehin schon final beantwortet ist, dann bleibt mir wohl nichts anderes, als mich der Berufswelt so, wie sie im Moment beschaffen ist, zu stellen.

    Und das, was ich in meinem Umfeld diesbezüglich wahrnehme, das hat mit Chuang-Tsus Käfig, in dem der Fasen „alles haben könnte, was ihm gefällt“ leider nicht sehr viel gemein. Die „goldenen Käfige“ der Arbeiter-, Angestellten- und Beamtengesellschaft, die dem Einzelnen ein sicheres und relativ angenehmes Leben zum Preis des Verzichts auf psychisch-emotionale Entwicklungsmöglichkeiten boten, die existieren nach den wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten zwanzig Jahre für die große Mehrheit der heute Berufstätigen nur noch als Nachhall einer Erinnerung an ferne Zeiten, während sie selbst sich von einem, oft genug temporären, Beschäftigungsverhältnis ins nächste hangeln. Und die psychisch-emotionale Situation der Arbeitstierhaltung, die gibt es als Dreingabe noch oben drauf. Freilich ohne dass einem ein „Käfig in man alles haben könnte, was einem gefällt“ als Gegengabe angeboten wird.

    Ob ich mir hier nun den Handwerksbetrieb in meiner Nachbarschaft betrachte, in dem der siebzigjährige Chef morgens um halb fünf das Licht anmacht, oder die „typischen Angestellten“ meines eigenen beruflichen Umfelds, wo eine Mitarbeiterfluktuation von 20% jährlich bewußt von der Firma als Ziel angestrebt und in vielen Fällen mit Hilfe des oben dargestellten Sündenbockmechanismus durchgesetzt wird: die Situation all dieser Menschen gleicht viel mehr der eines Lebens im Sumpf, in dem der Fasan zehn mühsame Schritte machen muss um zu einem einzigen Bissen Futter zu kommen als der eines Lebens in einem Käfig, schon garnicht in einem goldenen.
    Und Situationen des „Hinschmeißens“, des Risikos und der Unsicherheit müssen schon längst nicht mehr durch Verweigerung oder „Hinschmeißen“ selbst „verursacht“ werden, sie sind mittlerweile integraler Bestandteil des Berufsalltags.

    Verzeiht also wenn ich dies so scharf ausdrücke, aber der Vergleich der Berufswelt mit der Situation in goldenen Käfigen, der hinkt nicht nur, sondern er zielt voll daneben, und zwar um mindestens um 20 Jahre.

    Viele Grüße,
    Taononymus

  2. gitti sagt:

    Hallo Taononymus!
    Ich habe festgestellt, man kann auch bleiben und sich gleichzeitig verweigern – in Situationen wo das Weggehen nicht möglich ist und vielleicht auch selbstzerstörerisch wäre…… gibt es eine positive Verweigerung, schwer zu erklären, aber ich habe die Erfahrung gemacht ein klares deutliches NEIN läßt mein Gegenüber aufhorchen.
    In den vielen alltäglichen Spannungsfeldern meinen
    Selbstwert zu erhalten ist ganz wichtig und ist oft fruchtbarer für mich
    u n d meine Umgebung, als „den Bettel hinschmeißen“.

    Liebe Grüße Gitti

    • Wortspiel_mit_Tao sagt:

      Habe vor einigen Wochen im Focus-Magazin (in welchem neben viel Wortmüll auch immer wieder mal Hochgescheites zu lesen steht), den Vorschlag zur Kenntnis genommen, dass man dem „Nein!“ gegenüber einem Vorgesetzten, sobald der dieses „Nein!“ psychologisch geschickt durch Hinterfragen aufweichen will, noch anfügen könnte: „Denken Sie mal darüber nach!“ – Das ist doch fast so intelligent wie ein zünftiges „Es ist so!“, nachdem man sich gerade den kleinen Zeh mit Schmackes am Tischbein angehauen hat.

      Bei mir hat das Befolgen taoistischer Verweigerungsvorschläge jedenfalls zu Hausverbot, Abmahnung und heutigem Geringverdienst in einem langweiligen Gewerbe geführt. Immerhin neige ich nicht zum Buckeln.

      Meiner Erfahrung nach sind Vorgesetzte, wie fachlich doof diese auch sein mögen, im Delegieren und im Manipulieren von Menschen immer sehr geschickt. Manche von Ihnen scheinen sich einzig in der Disziplin „Fahrradfahren“ ständig weiterzubilden und dabei, in ihrer Mitte ruhend, mit ihrem Ledersessel verwachsen zu sein, während um sie herum die Fliehkräfte des Personalkarussells wirken.

      Wir haben unseren Fischer und Tolle gelesen – während die sich offenbar Machiavelli einverleibt haben.

      • Taononymus sagt:

        … quod erat demonstrandum: in Sümpfen gibt’s Treibsand, allerlei gefährliches „Kriechgetier“ wie Schlangen und Krokodile und das Leben im Sumpf ist mühsam und anstrengend, wie Chuang Tsu oben sehr richtig bemerkt hat.
        Wer statt dessen die Bequemlichkeit goldener Käfige erwartet ohne die Käfigstäbe zu akzeptieren, der muß sich nicht wundern, wenn ihm gelegentlich ein böses Erwachen beschert wird.

        Viele Grüße,
        Taononymus

        • Wortspiel_mit_Tao sagt:

          Wie jetzt?

          • Taononymus sagt:

            Wie jetzt WAS?

          • Wortspiel_mit_Tao sagt:

            Wie jetzt was?

            Taononymous, eben noch mit sich selbst hadernd, im Tal des Jammers verweilend, avanciert im Nu zum Großmeister des Tao, der sich nun an seinen Schüler wendet, um jenem gegenüber eine Behauptung kryptisch formuliert und hochtrabend zur allgemeingültigen Regel zu erklären.

            Man erkennt den alten Taononymous nicht wieder! – Wie ausgewechselt.

            Vielleicht also benötigte Taononymous in seinem derzeitigen spirituellen Entwicklungsstadium keinen Lehrer im eigentlichen Sinne mehr – sondern vielmehr einen Schüler – der ihm unbeabsichtigt den notwendigen Anstoß zur inneren Selbstreflexion verlieh?

            Man soll ja Dinge u. U. am besten verinnerlichen können, wenn man sie jemand anderem in eigenen Worten erklärt.

            Das ist dann schön für Taononymous, aber Wortspiel_mit_Tao hat hat davon leider kein Wort verstanden.

            Vielleicht war ich nicht einmal gemeint – aber es war, glaube ich, eine Antwort auf meinen Kommentar. Darum mein irritiertes: „Wie jetzt?“

            Falls ich nicht gemeint war, können Sie diesen Kommentar ignorieren. Falls doch, versuchen Sie diesen Kommentar doch mal zu ignorieren!

            Man verschwende bitte keine Zeit und Energie damit sich über mich zu ärgern oder vernichtende rhetorische Geschütze gegen mich in Stellung zu bringen (die vielfältig sein sollen), wenn ich jetzt bewusst polemisch werde, wie es nun mal meine Art ist.

            Aber wenn ich mich hier durch die Kommentare quäle, kommt es mir immer so vor, als würde man sich hier durch wohlfeile Formulierungskünste vor allem Fleißsternchen beim Bestsellerautor abholen wollen.

            Das gibt einem dann möglicherweise ein Gefühl von „Dazugehören“, ähnlich wie das Befreundetsein auf facebook mit dem noch etwas unbedarften Sohnemann des britischen Rockstars.

            Es ist natürlich ebensogut möglich, dass ich gerade etwas herausragend Dummes gesagt habe. Das entscheidet wie immer demokratisch die Mehrheit.

            Das Wetter hier ist sehr schön heute. Soll bald regnen.

          • Taononymus sagt:

            Ach so, das „Wie jetzt?“ war nur eine rein rhetorisch gemeinte Frage, deren Antworten Sie sich ohnehin alle selbst geben wollten.
            Nun, dann ist ja jetzt alles gesagt 🙂

            Übrigens, es zwingt Sie niemand sich hier durch Kommentare zu quälen, auch dann nicht, wenn diese als Antworten zu Ihren Beiträgen eingestellt wurden 🙂

            Viele Grüße,
            Taononymus

  3. Taononymus sagt:

    Liebe Gitti,

    ich glaube ich verstehe was Du meinst, und versuche genau dies für mich ebenfalls umzusetzen.

    Außerdem denke ich, dass es nicht wirklich nötig ist, diesen Ansatz überhaupt mit dem Negativbegriff „Verweigerung“ in Verbindung zu bringen und ihm so, wenn auch im Kern nicht so gemeint, sprachlich einen ungewollten Bärendienst zu erweisen.

    Ich verstehe diesen Ansatz statt dessen als Ausdruck des Willens, in dem durch mein Berufsumfeld gegebenen Bedingungen für meine psychisch-emotionale Gesundheit mit allem was dazu gehört Verantwortung zu übernehmen, und zwar langfristig.
    Denn zum einen bin ich als „Fasan im Sumpf“, der nicht auf die Sicherheiten goldener Käfige zurückgreifen kann, auf diese Art von Gesundheit schlichtweg angewiesen. Zum anderen kann sich ohne eine solche „Gesundheit“ trotz noch so großer „beruflicher Erfolge“ keine echte Lebensfreude einstellen.

    Und zur Umsetzung dieser Sicht gehört für mich, daß ich dem beruflichen Umfeld aufmerksam „auf die Finger“ schaue um ihm überall dort konsequent Grenzen zu setzen, „Nein“ zu sagen, wo es im Kern nicht mehr um die Erbringung meiner Arbeitsleistung, der ich mich keineswegs verweigere, geht, sondern wo im wesentlichen der Kampf anderer Leute um ihre „goldenen Käfige“ und „goldenen Kälber“ die Spielregeln diktieren will.

    Ganz konkret ist dabei in meinem Umfeld ein „goldener Käfig“ sehr beliebt, den ich als dem KKK-Lebensentwurf umreißen würde: Karriere, Kohle, Karibik.

    Dieser goldene „Lebens-Käfig“ sieht in Phase 1, der Karriere-Phase, mehr wie ein goldener Käfig mit Hamsterrad aus, wandelt sich bei wunschgemäßem Verlauf zum goldenen Käfig der „Upper Middle Class“-Selbstgerechtigkeit und mündet dann, erstaunlich häufig begleitet von der Veröffentlichung irgendwelcher Bücher über das ach so üble „System“ das einen die ganze Zeit so bös geschunden hat, in eine Art „goldene Freilaufvoliere“ für die zweite Lebenshälfte. Oder für das dritte Lebensdrittel, je nachdem, wieviel von diesem „Leben“ noch übrig geblieben ist.

    Und je mehr ich diese KKK-Lebensläufe in meiner Umgebung so auf mich wirken lasse, desto überzeugter bleibe ich lieber ein „Fasan im Sumpf“ , allerdings einer, der die 100 Schritte bis zum nächsten Bissen mit bewußter Überzeugung bejaht, anstatt sich innerlich zu verweigern.

    Viele Grüße und eine gute Sumpffasanen-Woche noch,
    Taononymus

    • gitti sagt:

      Hallo Taononymus!
      Ich freue mich immer sehr, wenn ich so verstanden werde wie ich es tatsächlich gemeint habe.

      Liebe Grüße Gitti

    • Matthias sagt:

      Lieber Taononymus,

      ich denke, Theo Fischer hat mit Absicht die Formulierung „sich verweigern“ gebraucht.

      Ich hatte zwar eine vage Vorstellung, musste aber erst mal im Duden nachsehen, was der kleine aber feine Unterschied zwischen verweigern und sich verweigern ist. Der Online-Duden (http://www.duden.de/rechtschreibung/verweigern) bringt als Beispiel für sich verweigern die Formulierung „die Forderungen, Erwartungen o. Ä. der Gesellschaft mit voller Absicht nicht erfüllen“.

      Sich verweigern verstehe ich als bewusste Grenzziehung zwischen sich und der Umwelt. Man sagt gegenüber den Anforderungen und Zumutungen der Umwelt: bis hier her und nicht weiter. Das setzt natürlich Selbst-Bewusstsein voraus.

      Diese Grenzziehung ist notwendig zur Erhaltung eines gesunden Selbst. Und im besten Fall ist sie auch nicht starr, sondern ein dynamisches Ausbalancieren der eigenen mit den fremden Anforderungen. In diesem Sinne sehe ich „sich verweigern“ als positiv an und grenze es ab von der starren und unreflektierten Verweigerung einer „Null-Bock“ Haltung einerseits und einer ebenso starren, wenn auch reflektierten Verweigerung auf Grund bestimmter Prinzipien.

      Um im Bild zu bleiben: Die „Null-Bock“ Haltung lehnt grundsätzlich alles außerhalb des Käfigs ab und weigert sich, den Käfig und seine Bequemlichkeiten zu verlassen. Andere weigern sich aus Prinzip (das durchaus ehrenwert sein kann), den Käfig überhaupt zu betreten.

      Ich meine, dass der Mensch, der sich verweigert, Sumpf und Käfig zu schätzen weiss, frei zwischen beiden zu wechseln vermag und sein Futter und Wasser von beiden Quellen holt, je nach Lage.

      Herzliche Grüße,
      Matthias

      • Taononymus sagt:

        Lieber Matthias,

        traut sich hier auf dem Blog doch mal wieder einer, einen Link zu einem Nachschlagewerk in seinem Kommentar zu bringen… na wenn das mal nicht schief geht 😉 😉 😉
        Scherz beiseite, ich verstehe sich Verweigern genauso wie von Dir, dem Duden und auch Herrn Fischer unten dargestellt.

        Aber mit „sich Verweigern“ allein wird man meiner Meinung nach Chuang Tsus Text noch lange nicht gerecht.
        Denn sich Verweigern, Grenzen ziehen, das sagt ja noch nichts darüber aus, WAS es nun ist, dem man sich verweigert, gegen das man sich abgrenzt. Mit anderen Worten, dem Verb „Sich Verweigern“ ist per se erstmal noch keinerlei Objekt beigegeben.

        Man könnte also sagen: der, der freiwillig im Sumpf lebt, der verweigert sich der Käfighaltung. Und wer den Käfig wählt, der verweigert sich ebenfalls, und zwar der Mühsal des Sumpfes.

        Aber diese völlige Beliebigkeit des unbegrenzt Subjektiven, die hat Chuang Tsus Text oben meiner Meinung nach eben gerade NICHT. Er spricht nicht einfach nur vom „sich Verweigern als solches“. Im Gegenteil, ihm geht es darum, den Leser aufzufordern, sich speziell dem Käfig zu verweigern, nicht jedoch dem Sumpf.

        Klar, auch ein „sich dem Käfig verweigern“ kann und muß subjektiv ein unendlich breites Spektrum an Bedeutungen haben, je nach Mensch und Situation. Aber es schließt eben nicht JEDES subjektiv beliebig ausdeutbare „sich Verweigern“ mit ein.

        Und in diesem Sinne macht Chuang Tsu eine konkrete Aussage, die man nicht beliebig wegsubjektivieren kann indem man sich vor der Frage drückt, was denn nun Sumpf ist und was Käfig. Im Gegenteil, er beschreibt ja sogar noch sowohl Sumpf als auch Käfig jeweils mit einem extra Nebensatz, um hier Klarheit zu schaffen.

        Viele Grüße,
        Taononymus

  4. Taononymus sagt:

    Hallo Herr Fischer,

    was haben Sie mit „sich verweigern“ in Ihrem Fall denn nun konkret gemeint?
    Eine Arbeitsstelle kündigen?
    Einem Auftraggeber mit inakzeptabler Erwartungshaltung den Auftrag vor die Füße pfeffern?

    Sie betonen ja sehr stark auch die direkten materiellen Folgen die sich verweigern für Sie hatte. Das legt mir solche Beispiele wie eben diese nahe.
    Aber vielleicht meinten Sie etwas ganz anderes?

    Weiterhin führen Sie im Text oben ja auch Leute mit „… oftmals gut bezahlten und nicht unbedingt niederen Positionen“ an, deren „relativ angenehmes Privatleben“ auf dem Spiel stünde, wenn sie den goldenen Käfig verließen.
    Und dies hatte ich bisher als weiteres Signal dafür gedeutet, dass „goldener Käfig“ bei Ihnen wohl im direkten materiellen Sinn (finanzielle Absicherung, Versicherungen an sich etc. etc. ) zu verstehen sei…

    Aber vielleicht täusche ich mich?

    Viele Grüße,
    Taononymus

    • Theo Fischer sagt:

      Sich verweigern kann nur subjektiv gedeutet werden. Weil es eine ausschließlich individuelle Angelegenheit ist, wie jemand auf Pressionen reagiert. Für mich bedeutet es symbolisch, dass ich die Karten auf den Tisch schmeiße, wenn mir ein Spiel nicht mehr gefällt. Ob jemand in Fällen von Druck, dem er ausgesetzt ist, Gegendruck erzeugt, sich beugt, ausreißt, oder einfach einen anderen Weg sucht, ist und bleibt eine Frage sowohl der Mentalität als auch der Definition des Begriffes.

      Im taoistischen Sinne bewegt sich der Lauf des Wassers um Hindernisse herum. Falls das Hindernis zur Barriere wird, staut sich die Kraft des Wassers so lange, bis die angesammelte, geballte Energie das Hindernis hinweg schiebt. Die Energie des Grundes ist im Menschen des WEGES so stark präsent, dass seine Beobachtung, insbesondere bei scheinbar hoffnungslosen Situationen, die Barriere zerstört. Dies zu realisieren und die uns innewohnende Energie intelligent einzusetzen, ergibt weitaus mehr Sinn, als sich über die Bedeutung von Wörtern den Kopf zu zerbrechen.

      • Taononymus sagt:

        Lieber Herr Fischer,

        und genau dafür hätte mich einfach mal ein konkretes Beispiel interessiert, d.h. ein Ereignis, ein Schwank aus Ihrem Leben wenn Sie so wollen, eine kleine Episode, die Sie in Ihrer subjektiven Sicht als eine Situation des sich Verweigerns erlebt haben… und was dann anschließend die Folgen für Sie waren.
        Vorausgesetzt natürlich, Sie empfinden diese Frage nicht als zu persönlich… dafür hätte ich natürlich auch Verständnis 🙂

        Viele Grüße ins Piemont,
        Taononymus.

        • Theo Fischer sagt:

          Noch eine Stellungnahme zum „Sich verweigern“.

          Taononymus fordert ein reales Beispiel aus meinem Leben zum Thema Verweigern. Hier ist es: Wir waren dabei, Haus und Hof wegen hoher Schulden und bevorstehender Zwangsversteigerung zu verlieren (siehe auch den Bericht in Tao heißt leben, was andere träumen). Da kam so ein Typ und bot mir an, die Summe der Bankschulden zu zahlen, mir noch einen kleineren Betrag zum Überleben – und die übrigen Gläubiger leer ausgehen zu lassen. War verlockend, das Angebot – aber ich durchschaute den Gauner und sagte allen Sorgen zum Trotz
          N E I N ! Und kaum eine Woche später meldete sich ein Käufer, der ohne viel Aufhebens eine angemessene Summe für das Anwesen auf den Tisch legte. Ich konnte alle Verbindlichkeiten tilgen – und der Rest reichte noch für ein Bauernhaus in den Vogesen und ein Jahr zum Überleben.

  5. Katharina sagt:

    Was aber ist mit HINGABE? Fallen Aspekte des Gebens beim (Sich-) Verweigern unter den Tisch? Ist es deswegen vielleicht so schwer im Sumpf?

    Nunja. Nach vielen Wochen der totalen Hingabe an diesen und jenen Käfig, ist es endlich Zeit für den Ausbruch.

    Und zwar nicht in den Sumpf: Drei Menschen, von denen zwei häufig zahlreiche Ideen der Verweigerung diskutieren, freuen sich auf die (vom Arbeitgeber teils bezahlte) Hingabe an La Costa, den Piemont, Italien. Ja, das ist bequem zunächst.

    Sonnige Grüße!

    • Taononymus sagt:

      Liebe Katharina,

      Hingabe ist wohl eine der wertvollsten Perlen, die ein Mensch seinem Umfeld oder einem anderen Menschen überhaupt anbieten kann. Und überall dort, wo sie auf einen fruchtbaren Boden fällt, wird Geben und Nehmen zu ein und demselben Vorgang. Denn ein Vielfaches von dem, was gegeben wurde, kommt in einer gewandelten Form wieder zurück, die eigene Hingabe wird in diesem Sinn zur „Selbstbereicherung“.

      Wenn aber Umfeld und/oder Gegenüber ungeeignet bzw. „sumpfig“ sind, so verkehrt sich dieser Vorgang ins Gegenteil. Hingabe bedeutet dann einen Akt der Selbstverschwendung der zur Selbstzerstörung bis zum „Ausbrennen“ führen kann. In so einem Fall hätte man besser daran getan, sich an den guten alten Rat zu halten:
      „Gebet nicht das Heilige den Hunden, werft auch nicht Eure Perlen vor die Schweine, damit diese sie nicht etwa mit ihren Füßen zertreten und sich umwenden und Euch zerreißen!“ (Matthäus 7.6)
      Ein „sumpfiges“ Umfeld verschluckt bzw. entwertet also nicht nur die hineinfallenden Perlen, zusätzlich wird oft auch noch wird derjenige, der sie hat fallen lassen, attackiert.

      Und die Berufswelt mit ihren täglich unzähligen Situationen, Gesprächen und Besprechungen in denen jemandes Arbeit oder gleich die ganze Person runtergemacht wird, die lässt hier nur allzu laut grüßen.
      Eine gut ausgeprägte Fähigkeit, Andere klein zu halten, ihre Leistung (= das, was sie hingegeben haben) zu verschweigen oder zumindest deutlich zu entwerten, das ist seit Jahrzehnten das inoffizielle Auswahlkriterium zur Besetzung so genannter „Führungspositionen“. Denn ohne solche „Fähigkeiten“ können viele der erfolgreichen Kostensenkungen im Personalbereich gar nicht wirklich umgesetzt werden. „Kernhärte“ nennt sich das dann im Managerjargon, wenn man sich nach bestandener „Aufnahmeprüfung“ in die nächst höhere Riege gegenseitig auf die Schultern klopft.
      Sich einem solchen Umfeld so „hinzugeben“ dass es einem mehr nutzt als schadet, das erfordert in jedem Fall eine enorme Aufmerksamkeit und eine sehr gut ausgeprägte Fähigkeit „Nein“ zu sagen.

      Übrigens finde ich, dass auch Theo Fischers Beispiel aus dem Geschäftsleben im Immobilienbereich, in dem er sich geweigert hat, trotz extremen Schuldendrucks seine Immobilie unter Wert zu verkaufen, sehr gut hierher passt.
      Denn letztlich steht man unter dem Druck des beruflichen Umfelds öfter als einem bewusst oder lieb ist vor der Frage: gebe ich (mich) wirklich hin? Oder gebe ich nicht einfach nur nach und damit mich selbst auf? Mache ich mir was vor oder erhalte ich für das, was ich (her/hin-)gebe wirklich etwas, das meinen Einsatz wert ist?

      Überall dort jedenfalls, wo die Antwort auf diese Frage wirklich ein „Ja“ ist, wird das berufliche Umfeld einen langfristig eher stärken statt schwächen. Aber schaut man aber einmal um sich, wie viele Menschen hektisch überdreht durch die Arbeitswoche hetzen oder sich nur noch halb ausgebrannt durch die täglichen Anforderungen quälen, wird glaube ich gut erkennbar, dass für viele die Antwort nur allzu häufig ein „Nein“ gewesen sein muss.

      Einen schönen Sonntag noch,
      Taononymus

  6. JE sagt:

    Lieber Theo,

    ich finde, dass die Geschichte eine sehr treffende Metapher für unsere heutige Arbeitswelt ist.
    Der Fasan der Chuang Tzus Geschichte bleibt eben nicht um „jeden Preis“ in einem Käfig, der ihm zwar Sicherheit gewährt, ihn aber an einem -artgerechten- Leben im Sumpf hindert,
    denn er weiss , „wer“ er ist und, was ihm im und für ein artgerechtes Leben wichtig ist. Vermutlich ist dieser Fasan mit diesem Selbst-Bewusstsein weiter entwickelt als die Mehrzahl unserer Zeitgenossen !?
    Wie ich Chuang tzus Worte und Deinen Kommentar verstehe, so geht es um Selbstrespekt, um Selbstachtung und jeder muss für sich entscheiden, ob und zu welchem „Preis“ er diese aufgibt.
    Sicher ist es sehr individuell, wann dieser Punkt, die persönliche „Schmerzgrenze“ erreicht ist und, ob der Einzelne sich dessen (überhaupt jemals) bewusst wird.
    Dabei verkennen die meisten, dass der Verlust von Selbstachtung eine unendliche Spirale ist, denn, wie kann ich von meinem Gegenüber Wertschätzung und Achtung erwarten oder erfahren, wenn ich diese mir selbst gegenüber verloren oder mich in einer „Pseudo-Ausweglosen-Situation“ bereits aufgegeben habe?
    Jeder von uns lebt in gewisser Weise in einem Käfig, der mag dem einen golden, dem anderen stählern, groß oder klein erscheinen. Der „sichere“ Käfig kann zum Einen aus finanziellen Bedingungen oder aber auch Beschränkungen und Bindungen jedweder Art bestehen.
    Wer sich aus schierer Angst und Sicherheitsstreben „an seinen eigenen Käfig kettet oder gekettet fühlt“, verliert auf Dauer dieses eigene Selbstwertgefühl…und macht sich damit (bewusst oder unbewusst) selbst zur „Legehenne“.
    Aus dem Selbstrespekt aber, im (Wieder-) Erkennen des eigenen Wertes, erwächst tatsächlich eine innere Stärke, die auch Andere spüren…….und die aus dem Frei-Sein von Angst entsteht… Ängste, denen man sich , das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen, bewusst werden und ehrlich stellen muss. Oftmals sind es nämlich nicht einmal ‚nur’ die existenziellen, finanziellen Ängste und unser Sicherheitsbedürfnis, sondern jene, dass wir unserer (gesellschaftlichen) Rolle nicht mehr gerecht werden, nicht mehr den Erwartungen und (vermeintlich eigenen) Ansprüchen entsprechen oder andere zu enttäuschen, da wir plötzlich nicht mehr unseren oder deren Bildern entsprechen.

    Ich wünsche allen eine in diesem Sinne „käfig-freies“ Dasein.
    Liebe Grüße
    JE

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