Der Koan zum Sonntag

Goso sagte: „Um ein Beispiel zu geben:
Es ist wie ein Büffel, der durch ein Fenster geht.
Sein Kopf, seine Hörner, seine vier Beine sind
alle durchgegangen. Wie kommt es, dass sein
Schwanz nicht hindurchgeht?“
(Zenkei Shibayama Zu den Quellen des Zen)

Wer schon mal bei uns zu Gast war, kennt wahrscheinlich das Bild, das ich für die untere Wohnung gemalt habe: Da ist ein Stier abgebildet und unten in Schreibschrift steht dieser Koan.

Man sollte meinen, wenn der Büffel mit seinen breiten Schultern, dem hohen Rücken und dem dicken Kopf durch das Fenster kommt, dass nach allen Gesetzen der Physik auch sein Schwanz hindurchpasst, leichter als alle anderen Körperteile. Aber denkste. Da hat man Pläne geschmiedet, um ein Ziel zu erreichen: Du willst in Zukunft dein Leben achtsamer verbringen, dir viel stärker bewusst sein, wie viel mehr dir von der Energie des Tao zufließt, wenn du den Dingen ihren natürlichen Lauf lässt, statt dich ständig mit deinem Wissen einzumischen. Und es gelingt, du kommst durch das symbolische Fenster hindurch – nur eines klemmt und hindert dich am Durchbruch: du hast Angst, dich so weit aufzugeben, dass dein Geist von nichts anderem als dem Tao mehr beeinflusst wird. Du klammerst dich am Körperende, dem Schwanz deines alten Wesens fest, weil du immer noch einen Rest Sicherheit darin vermutest. Das passiert auch dem Koan-Büffel. Sein Schwanz bleibt, weil er sich krümmt, zwischen Fenster und Rahmen hängen und er fällt in den Graben.

Oder nüchterner: Wir brauchten noch einen blechernen Gartentisch für die Gäste der zweiten Ferienwohnung. Und beschlossen, mit dem Auto zu den Baumärkten zu fahren, wo es eine Auswahl dieser Möbelstücke gab. Wir hatten unsere Ziele im Auge, die Ladefläche des kleinen Autos war umgeklappt, alles schien bereit zum Handeln. Im Auto fehlte noch Benzin, aber es gab ja Tankstellen genug, um dem Mangel abzuhelfen. Falsch. Am Tag unserer Fahrt streikten die Tankstellen! Wir mussten mangels Treibstoff zu Hause bleiben. Auch hier ging der Schwanz des Büffels nicht durchs Fenster. So passiert es oft mit unseren Plänen. Da hast du ein winziges Detail, weitaus kleiner noch als der Schwanz eines Wiederkäuers, nicht beachtet und dieses unbedeutende Teilchen lässt den ganzen, wohl ausgewogenen Plan zur Farce werden. Wenn man sich so mit Gedanken über den freien Willen beschäftigt, stimmt einen das doch richtig nachdenklich. Solange nicht die Umwelt mit unseren Vorhaben harmoniert, genügt entgegen aller Logik der alberne Büffelschwanz zum Scheitern.


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Eine Antwort zu Der Koan zum Sonntag

  1. gitti sagt:

    Meine Erfahrung sagt mir, wenn ich Pläne mache dann mit möglichst viel Freiraum für unvorhergesehene Entwicklungen.
    Es gibt Situationen, da sind wir einfach zu oberflächlich in der Vorbereitung und es gibt Situationen da stellt sich die Blockade als Glücksfall heraus.
    Diese Art von Unsicherheit macht das Leben spannend.
    Liebe Grüße und einen schönen Frühlingsbeginn Gitti

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