Der Pessimist

Wie glücklich ist der Pessimist,
wenn etwas schiefgegangen ist.
und geht es aller Welt auch schlecht,
Ihm bleibt der Trost: Er hatte recht!
Ein Träger düstrer Unheilsbrillen,
glaubt er nicht mal an „freien Willen“.
Mascha Kaléko

Da gibt es den so genannten Zweckpessimismus, den man selber kultiviert, und zwar einzig aus dem Grund, sich gegen herbe Enttäuschungen von vornherein zu schützen. Sie haben Pläne, Visionen, Wünsche, aber während Sie sich damit beschäftigen, kalkulieren Sie von Anfang an das Misslingen als feste Größe mit ein. Auf diese Weise bremsen Sie zwar bis zu einem gewissen Grad Ihren Lebensmut und Ihre Dynamik aus, Sie verzichten zur Schmerzvermeidung den Lustgewinn Ihrer Visionen, aber Ihnen winkt dafür öfter der kleine, schäbige Triumph, wieder mal Recht gehabt zu haben.

Soviel zum Pessimismus, den wir uns – oftmals gar nicht so sehr bewusst – selber antun. Aber sehr viel kraftvoller ist jene Geisteshaltung, deren Zweifel am allgemeinen Gelingen sich an der Außenwelt, an den Mitmenschen orientiert. Zum Beispiel – um ein aktuelles Phänomen zu nennen – die Sache mit dem Frühlingserwachen. Der Pessimist beobachtet den Verlauf des Wetters und die Stimmigkeit der Wetterberichte. Aus diesen Informationen schöpft er (oder natürlich auch sie, die Pessimistin) das Material für Voraussagen, die frei von jeder Hoffnung auf eine baldige Ankunft des Frühlings sind. Und dann bleiben sowohl die Voraussagen wie auch die nachfolgenden Wetterlagen genau so schlecht, wie der Pessimist es bei jeder Gelegenheit lauthals verbreitet hat. Ihm wird der Frühling natürlich ebenso fehlen, wie den anderen Wettergeschädigten, aber im Gegensatz zu jenen erlebt er seinen Triumph, Recht behalten zu haben. Beim Pessimisten ist eben dieser Triumph oft eines der wenigen, ihm Freude spendenden Erfolgserlebnisse. Und er erspart sich die Melancholie der Enttäuschung – und lebt nach dem Motto, dass Schadenfreude doch immer noch die reinste Freude ist.

Im taoistischen Denken hat Pessimismus keinen Platz. Allerdings auch nicht sein Gegenstück, nämlich jenen penetranten Optimismus in allen Dingen, der keinerlei Möglichkeiten von Versagen oder von vereitelten Visionen zulässt. Gut, dem Menschen des Weges gelingen die Dinge häufiger und sicherer, sobald er sich der Macht seiner eigenen Wirkung auf seinen Lebensprozess bewusst geworden ist und sie im Alltag auch konsequent umsetzt. Aber dennoch bleibt neben dem Yang auch die Polarität des Yin im Spiel, ein Leben mit allezeit gelingenden Vorhaben würde am Ende öde und langweilig werden. In diesem Sinne heißt ein Mensch des Tao Niederlagen ebenso willkommen wie seine Triumphe. So entsteht ein ausgewogener Gefühlshaushalt, der diese Pseudosicherheit des Pessimisten, der lieber erst mal an das Versagen glaubt, gar nicht nötig hat.

Dieser Beitrag wurde unter Taoismus abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

4 Antworten zu Der Pessimist

  1. gitti sagt:

    Lieber Herr Fischer
    Sehr interressant das Gedicht und ihr Komentar der mich an einer wunden Stelle trifft. Oftmals hatte ich in den letzten Wochen das Gefühl alles ginge mir mit Leichtigkeit von der Hand bzw, ich stellte an mich den Anspruch es „müßte“ so sein.
    Diese offene Bereitschaft auf Alles was so „daher“ kommt ist wieder neu geweckt worden. Ohne Pessimist zu sein oder dieser penetrante Optimist, die sich ja beide scheuen,tatsächlich auf das vor ihnen liegende einzulassen.
    Liebe Grüße und laut Wetterbericht kommt am Montag der Frühling
    Gitti

    • Matthias sagt:

      Liebe Gitti,
      das von dir beschriebene Gefühl und den Anspruch kenne ich auch.
      Wir sind dabei aber durchaus im Einklang mit den Naturgesetzen.
      Schließlich hat kein Geringerer als Isaac Newton das Trägheitsgesetz formuliert, wonach bekanntlich Körper die Tendenz haben, in ihrem Bewegungszustand zu verharren, solange keine äußere Kraft auf sie einwirkt.
      Und wer sind wir, dass wir es wagen könnten, Isaac Newton zu widersprechen.
      Also kein Grund, sich zu schämen!
      🙂
      Herzliche Grüße,
      Matthias

  2. Matthias sagt:

    Je mehr ich über die Kategorien Pessimismus und Optimismus nachdenke, desto fragwürdiger werden sie mir.

    Abseits seriöser wissenschaftlicher Definitionen kann man durchaus behaupten, dass ein Pessimist ein verkappter (oder verschatteter) Optimist ist, weil er stets das für ihn Beste, nämlich das Misslingen, erwartet.
    Und mit Oscar Wilde, der in Das Bildnis des Dorian Gray sagt „Die Grundlage des Optimismus ist blanke Angst.“, lässt sich sogar behaupten, der Optimist sei ein verkappter Pessimist.
    Beiden gemeinsam ist, dass sie die Ursachen für das jeweils erwartete Ergebnis (Optimist: Gelingen; Pessimist: Misslingen) sich selbst, für das nicht erwartete Ergebnis aber der Umwelt zuschreiben.

    Fatal ist, dass beide Kategorien nicht nur beschreibend, sondern vielmehr wertend verwendet werden. Folglich müssen Pessimisten natürlich unbedingt zu Optimisten „umgeschult“ werden.

    Statt Menschen weiterhin in solche Schubladen zu stecken, sollten sie lieber dazu ermutigt werden, sich der Macht ihrer eigenen Wirkung auf ihre Lebensprozesse bewusst zu werden und sie im Alltag auch konsequent umzusetzen – wie Herr Fischer es so schön schreibt.

    Herzliche Grüße,
    Matthias

    • gitti sagt:

      Aus meinerErfahrung im Umgang mit Pessimisten( im engsten Umfeld) wollen sich die gar nicht ändern.
      Ich dachte auch immer so wie Matthias in seinem letzten Komentar…
      Das wirklich Eigene ( die eigene Kraft) zu erkennen fällt diesen Menschen aber
      schwer und sie fallen immer wieder in ihre alten Muster zurück.
      Es stellt sich die Frage wollen die nicht oder können die nicht…?
      Auch die penetranten Optimisten sind belastend. Eines haben beide gemeinsam
      und zwar Realitätsverweigerung.
      Liebe Grüße Gitti

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert