Doping

Radrennsport scheint es ohne Drogen kaum noch zu gehen. Immer wieder werden Sieger dabei erwischt. Wer die Tour de France gewinnen will, ohne hinterher disqualifiziert zu werden, bräuchte freilich bei den raffinierten Testmethoden ein Präparat, das im Körper nicht nachzuweisen ist oder das als körpereigen gilt.

Aber mir geht es im Zusammenhang mit Doping um das Problem der Minderung eines Druckes, unter dem in unseren Tagen sehr viele Berufstätige stehen, gleich, ob sie selbständig sind oder in einem Arbeitsverhältnis ihren Lebensunterhalt verdienen. Der Griff zum pharmazeutischen Präparat liegt da sehr nahe. Manchen genügen als Fluchtmittel vor dem Stress kleinere Genüsse wie Rauchen, gut Essen oder Alkoholika. Der Schritt vom kleinen Genuss als Ausgleich hin zur Sucht ist da freilich oftmals kleiner als sich die Betroffenen eingestehen wollen. Und der nächste Schritt – meist sogar der parallele – besteht in der Einnahme von Drogen, die die Leistung steigern sollen, das Durchhaltevermögen stärken, die Nerven beruhigen, und dies selbst mit dem Risiko von Nebenwirkungen.

Ich fürchte, im Beruf sind heute gewisse Präparate so unverzichtbar wie die tägliche Nahrung. Die Mittel brauchen jene, die den Stress erzeugen, ebenso dringend wie die, die ihm ausgesetzt sind. Die geforderten Leistungen lassen sich in vielen Fällen gar nicht mehr ohne chemische Keulen bewältigen. Dass die so auf Höchstleistung Gehaltenen, die sich mit vierzig schon auf ihr Rentenalter freuen, dieses oft gar nicht mehr erleben, kommt erschwerend hinzu. Wer sich der Not gehorchend auf einen solchen Wettbewerb einlässt, ist automatisch auf der Verliererstraße. Weil die Manipulatoren sich nicht damit zufrieden geben, die Meßlatte der Leistungsobergrenze an einem festen Punkt zu belassen. Man wartet ab, bis der Geschundene die Forderungen erfüllt – um alsbald die Erwartungen noch ein Stückchen höher zu schrauben. Zukunftsforscher hätten vor siebzig Jahren sicher geweissagt, dass der Arbeitsdruck mit zunehmender Mechanisierung und dem Einsatz elektronischer Neuheiten rapide abnehmen würde. Doch was hat uns dieser gewaltige Fortschritt beschert? Mehr Leistung, mehr Produktivität, und natürlich mehr Profit – aber im gleichen Maße weniger Menschlichkeit. Der Mensch in Führungspositionen ist kein bisschen menschlicher geworden. Im Gegenteil: wir begegnen dem gnadenlosen Geist der Pharaonen, wohin wir blicken.

Einst wurde Chuang tzu eine hohe Position als Regierungsberater angeboten. Aber der Weise ahnte wohl, was ihm dort an Pressionen bevorstand – am einstigen Kaiserhof war man mit Enthauptungen schnell bei der Hand. Er bat um die Stelle als Parkaufseher, bekam sie, und verfasste dort etliche seiner heute noch populären Schriften. Es gehört für den Menschen, der den Weg des Tao einschlägt, ein hohes Maß an Courage dazu, sich dem Druck zu widersetzen und die unausgesprochenen Drohungen, was dem Rebellen passiert, der nicht gehorcht, zu ignorieren. Aber ein Mensch des Weges muss die schmutzigen Spiele nicht mitmachen – weil er begriffen hat, dass alles Geschehen, das ihm begegnet, primär von ihm ausgeht. Dass er selber durch seine Geisteshaltung der Verursacher der Wirkungen ist, denen er im Leben begegnet. Durch diese Einsicht wird er zum Herrn des Geschehens und erlangt durch das Energiepotenzial des Grundes der Dinge eine Überlegenheit, die real ist und nicht nur in einem frommen Wunschdenken existiert. Fragen Sie als Betroffene/r jetzt bitte nicht, „wie macht man das?“ – wie das realisiert wird, steht in Ihrem eigenen Sinn geschrieben. Forschen Sie in sich nach der Antwort, dann gehört sie auch Ihnen allein.

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2 Antworten zu Doping

  1. taononymus sagt:

    Die oben angeführte „Not, der gehorchend man sich auf den Wettbewerb einläßt“ sowie der oben hergestellte Bezug zur heutigen Berufswelt mit dem „Arbeitsdruck der von Manipulatoren auf Höchstleistung Gehaltenen“ verleitet mich zu ein paar Gedanken und Fragen, die ich zwecks Diskussionsbelebung mal bewußt etwas polemisch formuliert habe.
    Dieses „der Not gehorchend sich auf den Wettbewerb einlassen“ ist ein gebetsmühlenhaft wiederholter Schlüsselsatz in unserer heutigen Berufswelt, meist in Kombination mit einem vordergründig hilflosen „Kann man nichts machen“-Gesicht augenrollend vorgetragen. Aber ist die hinter diesem Satz stehende Haltung letztlich nicht einfach nur ein weit verbreiteter Alibimechanismus? Eine vermeintlich von außen vorgegebene Notwendigkeit wird hierbei auf wunderbar entlastende Weise mit der ansonsten nicht weiter hinterfragten inneren Motivation, sich auf den Wettbewerb einzulassen, verbunden und das Ganze wird sich selber und anderen dann als ursächlicher Zusammenhang „verkauft“.
    In den leider allzu häufigen Gesprächen solcher Art im Berufsleben wird dann folgerichtig in schöner Regelmäßigkeit im gleichen Atemzug mit dem Gestöhne über „Stress und Arbeitsdruck“ auf den Umstand verwiesen, dass dies alles angeblich unvermeidbar sei um zu „überleben“ und weil irgendwer „Druck macht“. Fragt man genauer nach, zeigt sich oft, dass sich hinter dem Begriff „Überleben“ ein höchst anspruchsvoller Lebensstil mit Maximalerwartungen auf verschiedensten Ebenen (Karriere, Statusansprüche, Macht und dergleichen) versteckt. Die Rede von der Not, der man des „Überlebens“ wegen dann angeblich gehorchen muss, wird so oft schon fast zum Hohn für jene, die wirklich in einer Notlage stecken, die beispielsweise eine schwere Krankheit haben oder mit unmenschlichen Arbeitsbedingungen in einem Niedriglohnsektor zurechtkommen müssen.
    Meist hat die „Not, der gehorchend man sich dem Wettbewerb unterwirft“ rein gar nichts mit solchen Umständen zu tun sondern kaschiert einfach nur die unkontrollierte Gier nach Erfüllung eigener Höchstansprüche, ohne die man meint nicht „leben“ zu können. Und das ist leider kein Chefetagenphänomen, sondern ein Massenphänomen, beginnend mit dem ersten Job des jungen Angestellten und frühestens endend mit dem ersten Burnout, wenn überhaupt.
    Und wird irgendwann im Leben einmal festgestellt, dass die eigenen, naturgegebenen Fähigkeiten oder Möglichkeiten eben nicht reichen, um sich diese Ansprüche zu erfüllen, wird in dieser Logik folgerichtig sehr schnell die Entscheidung „pro Doping“ in welcher Form auch immer getroffen. Dass die im Gespräch gelegentlich geäußerte Anregung, statt dessen doch einfach mal über ein Aufgeben der unerfüllbaren Ansprüche und Wünsche nachzudenken, hektisch fadenscheinig wegbegründet oder gar mit Empörung quittiert wird, ist da fast schon selbstredend. Was jedem Dreijährigen beim Durchqueren des Manipulationsfeuerwerks der Impulsartikel an der Supermarktkasse an Selbstüberwindung abverlangt wird ist einem erwachsenen Berufstätigen angesichts unerreichbarerer Lebensansprüche anscheinend nicht zuzumuten.
    Als Betroffener, der aus dem oben umrissenen Blickwinkel heraus auf das Thema „Arbeitsdruck, Wettbewerb und Doping im Berufsleben“ schaut möchte ich doch anmerken, dass man gerade hier vielleicht nicht wirklich gleich den ganzen (von mir sehr geschätzten) Taoismus samt „Energiepotential des Grundes“ herbemühen muss, um auf die Idee zu kommen, dass „alles Geschehen, das einem begegnet, primär von einem selber ausgeht“, wie oben so schön formuliert. Und aus eigener Erfahrung sowie aus Beobachtung der seltenen Ausnahmen in meinem Berufsumfeld weiß ich, dass man auch nicht gleich als „Rebell“ geteert und gefedert wird, wenn man nicht bei allem mitspielt, auch diese Befürchtung taugt leider nicht zum Alibi für’s Mitspielen. Allerdings eines muß man statt dessen gelegentlich schon mal aushalten und bejahen können, nämlich ganz schlicht den Verzicht auf die Optionen, die man nur mit „Leistung um jeden Preis“, Doping oder Übergriffe auf Andere hätte erreichen können. Und damit wäre man wiederum bei dem, was von einem selber ausgeht, mag man’s nennen wie man’s will 😉

    • Theo sagt:

      Hallo Taononymus,
      Mit dem Leistungsdruck ist es wie mit diesem Spruch vom Krieg: „Stell dir vor, es wäre Krieg – und keiner geht hin.“ Würden die Leute sich in der Wirtschaft ebenso verhalten, gäbe es für die Häuptlinge keine Opfer zum Auspressen mehr. Chuang tzu wurde einst eine Position als Regierungsberater angeboten – aber er zog den Job als Parkaufseher vor. TF

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