Du suchst und suchst

Du suchst und suchst. Und kannst den Sinn nicht finden.
Gib’s auf; denn so wirst du ihn nicht ergründen.
Pfeif dir ein Liedchen, träume vor dich hin,
wie oft enthüllt im Un-Sinn sich der Sinn!
Mascha Kaléko

Früher oder später stellt sich zwangsläufig jeder die Frage nach dem Sinn seines Vorhandenseins, dem Sinn des Lebens an sich oder überhaupt nach den Energien, die das Universum erzeugen. Vielfach wird via Religion die Antwort gegeben: Der Sinn besteht darin, einem unbekannten Gott gefällig zu sein, damit man nach dem Tod nicht in der Hölle landet – oder dass man seine irdischen Fehler immer wieder durch Wiedergeburten ausbügeln muss.

Wer diese Lehren nach genauer Prüfung allesamt verneint und auch den Philosophen nicht besonders vertraut, wird sich bald allein und ausgesetzt in einem Leben fühlen, dessen Sinn ihm keiner entschlüsseln kann. Da gelangt der Mensch dann ins Grübeln, er wälzt Ideen, prüft sie und verwirft sie wieder. Wer den Sinn im verfügbaren Lehrmaterial sucht, wird ihn nicht finden. In seiner Ratlosigkeit verfällt ein Sinnsucher dann bald ins Fabulieren, er stellt Theorien auf, vergleicht sie mit vorhandenen um diese mit harschen Worten wieder zu verwerfen.

Die Suche samt allem Ringen nach Erkenntnis hören auf, wenn du dich geschlagen gibst: unversehens hält eine große Ruhe Einzug ins Gemüt, begleitet von erleichterter Heiterkeit. Alles Ringen, Grübeln und Studieren ist vorbei. Zurück bleibt ein Geist, der zu ahnen beginnt, dass alle Antworten, die er sucht, einzig in ihm selbst zu finden sind. Und zwar dann, wenn dieser Geist sich von aller Suche befreit hat, befreit darum, weil sie als sinnlos erkannt wurde. Übrig bleibt ein Mensch, den keine Botschaft mehr berühren oder beunruhigen kann. Und er spürt: der Sinn-Spender wohnt unter seiner eigenen Schädeldecke. Er beginnt sich selbst als den Verursacher seines Seins zu verstehen – und dann ist der Moment gekommen, in ein großes Gelächter auszubrechen.

Dieser Beitrag wurde unter Taoismus abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

9 Antworten zu Du suchst und suchst

  1. Chris sagt:

    Mein Leben hat keinen Sinn – ich bin einfach.

  2. gitti sagt:

    Die Zeilen von Krishnamurti lauten:
    Ohne Selbsterkenntnis gibt sich das Unsterbliche nicht zu erkennen.
    Mit dem Aufgeben der Suche nach dem Sinn, fängt der eigentliche Weg erst an. Das Leben bekommt eine Leichtigkeit mit Tiefgang.
    Das Gedicht von Mascha Kaleko könnte leicht den Eindruck erwecken, daß die heutige Spaßgesellschaft auf dem richtigen Weg ist.(„Pfeif dir ein Liedchen und träum vor dich hin.“)
    Liebe Grüße!
    Gitti

  3. KH sagt:

    Wer immer nur auf der Suche ist,
    der wird nie die Möglichkeit haben zu finden.

    Muß ich finden? Wenn nein – dann brauche ich auch nicht suchen.

    Der Sinn wird dich finden, wenn die Zeit gekommen ist und du nicht mehr suchst.

    KH

  4. Taononymus sagt:

    „…Pfeif dir ein Liedchen, träume vor dich hin,
    wie oft enthüllt im Un-Sinn sich der Sinn!“

    … oder mach‘ das „Outdoor-Seminar“ für die „todernsten aber handfesten“ Naturen, die erst loslassen und lachen können, wenn sie durchgeschwitzt und hundemüde sind :

    „Fälle Holz!“

    … wie der Holzfäller aus der Zen-Geschichte, die Matthias neulich hier angeschleppt hat. Ich erlaube mir, sie hier nochmal zu zitieren:

    „… Immer, wenn er im Wald Bäume fällte, bemerkte er, dass das Tier Satori, das ziemlich neugierig war, in seiner Nähe umherstreifte. Wenn er es fangen wollte, lief es aber weg und versteckte sich. Als eines Tages ein Zen-Mönch vorbei kam, klagte der Holzfäller ihm sein Leid. Dieser gab ihm den Rat, sich einfach auf das Holzfällen zu konzentrieren und sich nicht weiter um das Tier Satori zu kümmern. Das gelang dem Holzfäller auch nach einiger Zeit. Und eines Tages “fing” er das Tier Satori, weil es von einem gefällten Baum eingeklemmt wurde. …“

    Der Holzfäller mag den Tagträumer noch so sehr um die Leichtigkeit seines Weges zum „Sinn“ beneiden oder ihn gar als oberflächlichen Spaßsüchtigen wahrnehmen. Für sein eigenes Leben selbst nutzt ihm das leider alles nichts.
    Er könnte Liedchen pfeifen solange er wollte, solange er nicht die Axt in die Hand nimmt und kräftig schwingt, wird auch der Baum, der irgendwann mal seine „Beute“ einklemmt, nie fallen können.

    Wäre es für solche Holzfällernaturen daher wirklich hilfreich, sich tagträumend und Liedchen pfeifend in die Sonne zu setzen?
    Aus meiner Sicht ebenso wenig wie es für den Liedchen pfeifenden Tagträumer hilfreich wäre, ihn mit einer Axt in den Wald zu schicken um Bäume zu fällen. Das Pfeifen und Träumen würde ihm bald vergehen… und Bäume würden wohl auch keine mehr fallen.

    Was ich für mich selbst daraus schließe: wichtig ist, den für’s eigene Gemüt passenden Ansatz und Weg zu finden… und diesen dann auch zu gehen.
    Ob der eigene Weg nun Liedchen pfeifend, tagträumend und leicht oder aber Holz hackend, verschwitzt und schwer „aussieht“… solage er dem Menschen entspricht, der ihn geht, solange er also echt und authentisch ist, ist das völlig wurscht.

    Viele Grüße,
    Taononymus

  5. AA sagt:

    Oder so:
    Den Sinn kannst du nicht finden. Er findet dich, wenn du bereit dazu bist!“
    Allerdings, ob das „bereit sein“ sich aus eigener Kraft einstellen kann?

    AA

  6. Matthias sagt:

    Die Progressive Muskelentspannung nach Edmund Jacobson nutzt ja den Umstand, dass Muskeln nicht endlos angespannt werden können. An einem bestimmten Punkt, der von Anspannungsgrad und -dauer abhängt, entspannen sie reflexartig. Sie geben auf.
    Also lernen Leute, die sich nicht willentlich entspannen können, Entspannung über diesen natürlichen Schutzmechanismus, nämlich indem sie erst einmal kräftig ihre Muskeln anspannen. Mit fortgeschrittener Übung kann, soll und wird auf die initiale Anspannung verzichtet werden.

    Dem Verstand geht es ähnlich. Tagträume z.B. sind die natürliche Entspannung von zu viel intellektueller Anspannung. Wie oft finde ich mich in Phasen erzwungen langer und hoher Konzentration auf einmal in Tagträumen wieder?!
    Zen Koans verstehe ich als ein Mittel, den Verstand durch paradoxe Rätsel zum Überdrehen zu bringen, bis er erschöpft aufgibt. Das ist der Moment der Erleuchtung.

    Mit der Sinnsuche ist es nicht anders. Ich kann mich doch erst geschlagen geben, wenn ich mich vorher auch geschlagen habe.

    Es mag das eine oder andere Naturtalent geben, das die Nicht-Sinnsuche ohne weiteres beherrscht.
    Normalsterbliche aber sollten „Progressive Sinnentspannung“ üben: erst einmal möglichst intensiv nach Sinn suchen, dann stellt sich der Zustand der Nicht-Suche reflektorisch ein.

    Herzliche Grüße,
    Matthias

  7. AA sagt:

    Meines Achtens Mascha Kaléko behauptet nicht; der Weg des Narren sei der einzige oder der bessere. Er bestimmt nicht den Weg, sondern die Weise, WIE er gegangen werden soll. Er sagt doch; JEDE Suche wird scheitern. Der Holzfäller darf ruhig weiter schwitzen, wenn es im gut tut. Hauptsache: Er sucht nicht nach dem Satori, sonder in seiner Unbekümmertheit („Pfeif dir ein Liedchen“) lässt er es geschehen.

    Grüße
    AA

  8. JE sagt:

    Hallo, lieber Theo,
    liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Blogs,

    mir gefällt das Gedicht von Mascha Kaleko, – mit diesem feinen, augenzwinkernden Humor (mal wieder) sehr gut!
    Der Sinn des Lebens stellt sich ein (oder auch nicht) – gleichgültig, ob ich mich mit der Sinnsuche malträtiere oder ein Liedchen pfeife
    Allerdings heißt es nicht, dass es, nur, weil ich diesen Sinn nicht nicht er-kenne, diesen Sinn nicht gibt. Aber die Suche danach, ist in der Tat sinn-los.
    Wir wissen ja noch nicht einmal, WAS wir da konkret suchen (sollten), WIE dieser Sinn eventuell „aussehen“ könnte (abgesehen davon, wäre jedes Bild, jede Vorstellung hiervon irr-sinnig), WO sollten wir suchen und vor allem: WOMIT?
    Angesichts dieser grotesken und aussichtslosen Ausgangsposition können wir – dort (endlich) angelangt – tatsächlich nur, und das in aller Menschenliebe, herzhaft über uns lachen und (vom Sinn 🙂 ) träumen.

    Noch eine Randbemerkung dazu, ob und wie „eine Spassgesellschaft“ diese Zeilen möglicherweisen auffassen könnte, das liegt allein an dem jeweiligen Betreffenden. Jedenfalls ist dies außerhalb des Einflussbereiches von uns oder der Dichterin (um Krishnamurti zu zitieren: „Ich bin nicht meines Bruders Hüter“).

    [ Noch ein Tipp für die Suche nach dem Tier Sartori: Wer weiß, wen oder was man so alles -mit einem Liedchen- hinter einem Baum hätte hervorlocken können… 🙂 ?]

    Ich wünsche allen eine schöne Woche, mit offenen (und gleichwohl offenem) Sinnen,
    JE

  9. Marco sagt:

    Welch Nonsens wäre das Leben ohne den Pfad der Erkenntnis zugehen!
    Ist es der letzte Tag an dem sich alles erschließt?

Schreibe einen Kommentar zu JE Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert