Erkenntnis

Erkenntnis lässt sich nicht von anderen lernen.Erkenntnis muss aus dem eigenen Ich hervorgehen.
Dseng Dse

Ich werde oft gefragt, woher ich den Stoff, also die Grundaussagen meiner Bücher schöpfe. Insbesondere mein Erstling Wu wei wird entsprechend hinterfragt. Ich muss darauf wahrheitsgemäß antworten: Nach langem Ringen um Wahrheit und Erkenntnis in den frühen Jahren bin ich zur Erkenntnis gelangt, dass niemand sie mir geben kann – aber auch, dass ich sie selber nicht kenne. Ich fand mich damit ab und war bereit, von da an und in alle Zukunft aus einem Zustand des Nichtwissens heraus zu leben und zu handeln. Und dann geschah das Seltsame: in diesem Zustand, der frei vom Begehren nach Auskunft war, stellten sich von Fall zu Fall wie aus dem Nichts Erkenntnisse ein, die aus dem eigenen Inneren kamen. Ich hatte keinen Namen für dieses Phänomen, suchte auch keinen – bis mir dann eines Tages Alan Watts Büchlein „Der Lauf des Wassers“ in die Hände fiel. Ich las, lächelte und sagte zu Sabine: „Jetzt hat das, was wir nicht wissen und nicht glauben, aber dennoch tun, sogar einen Namen: Taoismus!.

Der Rede kurzer Sinn: Was immer Sie an Erkenntnis und Einsicht suchen und wünschen – kein anderer Mensch (auch ich nicht) kann es Ihnen geben. Aber es ist in Ihnen tief im Inneren angelegt und der Schlüssel dazu lautet: Bereitschaft zum Nicht wissen. Bedeutet: Aufhören mit Forschen und Werden, weil beides unnötig und nutzlos ist. Und wenn Sie jetzt fragen, was ich denn dann in meinen Ferienkursen mit den Teilnehmern mache, wenn von dritten Personen ohnehin nichts zu gewinnen ist, dann darf ich darauf antworten: In diesen Kursen versuche ich genau das zu vermitteln, was ich oben im ersten Absatz berichtet habe. Nämlich den fragenden, suchenden Menschen auf diese unbekannte Spur zu setzen, die einzig und allein in ihn selber hinein führt. Und zum Glück funktioniert das auch in den meisten Fällen.

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8 Antworten zu Erkenntnis

  1. Hierzu fällt mir das Sprüchlein von Kabir ein:

    Der Moschus ist im Moschustier.
    Doch das Moschustier sucht nicht danach.
    Es wandert herum und sucht nach Gras.

    LG Rainer Schwenkkraus

  2. Taononymus sagt:

    Lieber Herr Fischer,

    falls Sie Ihren Rat oben: „…Aufhören mit Forschen und Werden, weil beides unnötig und nutzlos ist!“ als generell empfehlenswert für alle meinen, ganz unabhängig von der Lebensphase in der sich jemand gerade befindet, kann ich dem nur von ganzem Herzen widersprechen. Vielleicht illustriert diese kleine Geschichte hier am besten was ich meine:

    DER SCHATZ IM EIGENEN HAUS
    Der Jude Isaak wohnte in einem kleinen Haus neben der Synagoge in Krakau. Drei Nächte hintereinander hatte er immer den gleichen Traum: Gott forderte ihn auf, nach Prag zu gehen und dort unter einer bestimmten Brücke nach einem Schatz zu suchen. Er machte sich auf den Weg und begegnete an der besagten Brücke einem Soldaten. Bis zum Einbruch der Dunkelheit lief er vergeblich um die Brücke herum ohne einen Hinweis auf einen Schatz zu finden. Auf Nachfragen des Soldaten erzählte er diesem schließlich seinen Traum. Dieser lachte ihn aus und erzählte ihm darauf seinen eigenen Traum der letzten Nacht: Er habe geträumt, dass es in Krakau neben der Synagoge ein kleines Haus gäbe und dort unter dem Kamin ein Schatz vergraben sei. Der Soldat fügte aber gleich hinzu, dass er wegen eines
    solchen Traums noch lange nicht losgehen würde. Schließlich sei es nur ein Traum gewesen.
    Der Jude Isaak aber reiste unverzüglich zurück nach Krakau und grub unter dem Kamin seines Hauses. Dort fand er einen großen Schatz.

    Ja, man wird den gesuchten Schatz am Ende im eigenen Haus finden, nirgendwo anders. Wer aber nie gesucht, geforscht und gerungen hat, der ist wie der Soldat in der Geschichte, der gar nicht erst losgeht.
    Auch Sie Herr Fischer erwähnen ja oben, dass Sie zunächst für eine solche Suche einiges an Zeit und Energie eingesetzt haben. Und dieser Prozess kann meiner Überzeugung nach nicht abgekürzt werden, indem man den Drang, zu Suchen und zu Forschen unterdrückt. Von vielen geistigen Richtungen wird dies ja durchaus gelehrt. Aber meiner Meinung nach macht das die Menschen „mit Gewalt“ dem Soldaten aus der Geschichte oben gleich, der vermeintlich schlauer ist, aber nie einen Zustand erreicht, in dem er für den Schatz im eigenen Haus überhaupt empfänglich wäre.

    Einem Menschen, der sich die Mühen einer solchen Suche im bisherigen Leben im Großen und Ganzen erspart hat, anzuraten, auch die bisherigen zögerlichen Versuche noch einzustellen weil Antworten grundsätzlich aus dem eigenen Wesen heraus kämen, das hieße letztlich, diesem Menschen den Weg zu seinem Schatz zu verbauen.
    Und auch Dseng Tse, den Sie oben zitieren, ist ein gutes Beispiel. War er doch ein Schüler des Konfuzius, der dessen Lehren er weiter entwickelt und aufbereitet hat. Ein solches Leben hat zweifellos ein hohes Maß an Suchen und Forschen „auswärts“, beinhaltet, bevor Dseng Tse seine eigenen Schätze heben konnte.

    Viele Grüße,
    Taononymus

    • Taotse sagt:

      Lieber Taononymus,

      ich denke Herr Fischer meinte eher „die Kunst des Nichthandelns“ im Prozess der Suche und Findung. (Erstes Kapitel Wu wei) So zumindest habe ich es verstanden.

      Man kennt das Fänomen wenn einem etwas auf der Zunge liegt, man kann Stunden grübeln aber der Name fällt einem nicht ein…Besser man betrachtet das Problem und legt es bei Seite, den Rest erledigt das Unterbewusstsein und der Name Sprudelt nach kurzer Zeit ganz von selbst aus einem heraus.

      Ich hoffe ich bin jetzt nicht auf dem Holzweg.

      Dies ist mein erster Beitrag hier. Ein Gruß an Alle!

      Lieber Herr Fischer Ihr Buch Wu wei ist für mich der Knaller… Pflichtlektüre an jeder Schule und die Welt wäre eine bessere.

      Michel

  3. Maria sagt:

    Ich schließe mich dem Kommentar von Taononymus an. Ich glaube nicht, daß ich ohne Suchen und Forschen auf den Taoismus gestoßen wäre.

    Ich bin in einem stark katholisch geprägten Umfeld aufgewachsen, habe bis weit in meine Schulzeit hinein gedacht, daß es „normal“ ist, katholisch zu sein. Durch diese starke Prägung habe ich sehr lange gebraucht, um zu erkennen, daß der Katholizismus meine Lebensfragen nicht beantworten kann und ich mich davon lösen konnte.

    Auf meiner Suche nach Erkenntnis habe ich mich mit anderen Religionen – angefangen von anderen christlichen bis hin zu fernöstlichen – beschäftigt; habe von Jesusgebet bis Zen-Meditation alles mögliche ausprobiert. Aber nichts hat mir befriedigende Antworten geben können. Ich war immer auf der Suche nach dem „Handbuch“, das mir sagt, wie ich leben muß …

    Ganz, ganz langsam bin ich zu der Erkenntnis gekommen, daß ich mich nicht ändern muß, daß ich so bleiben kann, wie ich bin, daß ich mich nicht verbiegen muß. Ich habe angefangen zu akzeptieren, daß ich anders bin, wie andere Menschen – nicht so geschickt, nicht so stromlinienförmig. Heute weiß ich, daß es „das Handbuch“ nicht gibt.
    Seit ich die Philosopie des Taoismus – auch dank Ihrer Bücher Herr Fischer – für mich entdeckt habe, vertraue ich mir zunehmend selbst. Ich spüre, daß das Wissen/Erkenntnis immer schon da war – es war nur verschüttet.

    • gitti sagt:

      Ich habe auch viele Jahre gesucht, jedoch ohne zu wissen,daß es nutzlos ist sich fremdes Wissen anzuhäufen. Allerdings ist es mir auch dazwischen geglückt, in mir etwas- nur auf mich gestellt-zu finden…… und da liegt der große Unterschied.Fremdes Wissen zweifelt man immer an und es treibt einem immer weiter. Eigene Erfahrung zu machen gibt Sicherheit und Selbstvertrauen.Wenn ich z.B. die Essays v. R.W.Emerson lese und ich merke zu dieser Erkenntnis bin ich selber auch gekommen, spüre ich etwas Wahrhaftiges.
      Der Weg läuft praktisch umgekehrt. Das aus sich selbst entstandene Erkennen der Wahrheit macht und frei, das Suchen im Außen macht unruhig und führt nie zu einem Ende….. erst wenn ich das Suchen aufgebe entsteht das Erkennen.
      Liebe Grüße Gitti

  4. Liebe Gitti,

    genauso sehe ich das auch.
    Jedoch glaube ich, die Anmerkungen von Taononymus und Maria gingen in die Richtung, ob es diese Erkenntnis ohne die vorherige Suche danach überhaupt geben kann? Bzw. das Suchen aufzugeben bedeutet ja vorher gesucht zu haben.

    LG Rainer Schwenkkraus

  5. JE sagt:

    Hallo…..

    Erkenntnis schließt die -vorherige- Suche keinesfalls aus. Jedoch wird eine Suche außerhalb unseres Selbst nicht zur eigenen „Selbst“-Erkenntnis führen, auch, wenn wir hierfür alle Weisheiten dieser Welt in uns aufsaugen.
    Mit einer solchen „Suche nach Erkenntnis“ begeben wir uns nämlich in eine vorgegebene (Denk-) Richtung; wir folgen sozusagen einer „Fremd“-Erkenntnis, so dass der (notwendige) offene Blick für unser Selbst verloren geht.
    Finden, d.h. Selbsterkenntnis geschieht, wenn diese konzentrierte ‚Suche‘ aufgehört hat und eine (unbedarfte) Aufmerksamkeit -in alle Richtungen ….wieder…..da ist.

    Zumeist ist diese -vergebliche- Suche außerhalb unseres Selbst aber notwendig (bzw. Voraussetzung?), um die Aussichtslosigkeit einer solchen Suche „selbst“ zu erkennen.

    Ich wünsche Ihnen allen einen guten Start in die neue Woche…mit möglichst vielen eigenen Erkenntnissen 🙂
    Herzlichst
    JE

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