Freiheit versus Sicherheit

Wer bereit ist, wesentliche Freiheitsrechte aufzugeben,
um sich damit auf Zeit ein bisschen Sicherheit zu erkaufen,
verdient weder Freiheit noch Sicherheit.
Benjamin Franklin

Franklin hat mit diesem Ausspruch vermutlich an den großen Rahmen innerstaatlicher Bewegungen gedacht und an die Fügsamkeit der Menschen, die sich der Gewalt einzelner Herrscher beugen, wenn ihnen dafür Sicherheit versprochen wird. Mir sind beim Lesen des Textes andere, zeitnahe Gedanken gekommen, die viel mehr in die soziale Situation sehr vieler Menschen in unserem Kulturkreis hineinspielen. Der Druck, unter dem heute der Lebensunterhalt erwirtschaftet werden muss, macht Arbeitsplätze zu Pyramidenbaustellen und die Vorgesetzten zu Pharaonen, deren Geist aus dem alten Ägypten herüberweht. Womit ich sagen will: einst hat der Mensch den Mächtigen nichts gegolten, ein Leben oder tausend Leben zählten nicht – wenn nur die Ziele einiger skrupel- und bedenkenloser Männer realisiert wurden.

Karl Marx hat einst das Gegenmittel erkannt – aber seine Ideen wurden von den Anführern der Kapitalismusgegner ins genaue Gegenteil umgekehrt: an Stelle der entthronten Machthaber nahmen noch skrupellosere Führer die vakanten Positionen ein und arbeiteten – wie gehabt – in die eigene Tasche. Und das Volk bekam bescheidene Sicherheiten, um den Preis, dass es gehorchte!

Ich glaube nicht, dass sich bei der Gehirnstruktur des heutigen Menschen daran etwas ändern lässt. Als Masse reagieren die Bürger unverändert auf Druck, sie beugen sich ihm, wenn ihnen nur ein kleines bisschen Sicherheit versprochen wird. Man hatte nach den Revolutionen so sehr auf die Demokratie gesetzt, gehofft, dass nunmehr der gewöhnliche Sterbliche auch eine Stimme bekäme, die seine eigenen Wünsche, Sehnsüchte und Interessen vertreten sollte. Aber was bekam die Masse? Eine Stimme gewiss, aber diese nur, um sich wieder neue Pharaonen zu wählen, die zwar mildere Gesetze erließen, den Anschein von einer Freiheit erweckten, die mit Sicherheit verbunden war. Aber leider unter der Oberfläche mit der Konsequenz, dass die Gewählten mit anderen Vorzeichen die alten sklaventreibenden Systeme weiterhin zuließen. Die neue Unfreiheit bekam andere Namen und die Sicherheiten waren, wie einst in der Vorzeit, nur unter der Voraussetzung bedingungsloser Unterwerfung gewährleistet.

Kann ein Mensch, der den taoistischen Gedanken nahe steht und ihnen folgt, daran etwas ändern? In Bezug auf das Massenverhalten ganz bestimmt nicht. Aber er kann die Veränderung in seinem eigenen Leben und bei seinen eigenen Problemen bewirken. Und zwar dadurch, dass er die Weisheit der taoistischen Lebenskunst nicht als Theorie, als Lehre auffasst – sondern sie als eine Tatsache sieht, so tatsächlich und wirklich wie ein Pflasterstein seine Wirkung tut, wenn man ihn durch eine Fensterscheibe schmeißt. „Wer im Glashaus sitzt…..usw.“ sagt das Sprichwort. Aber wer realisiert, dass er selber sein Leben erzeugt, einfach, indem er es lebt, wer realisiert, dass er Herr seines Schicksals ist und nicht jene wieder auferstandenen Pharaonen – wer dies realisiert, der nimmt den Stein und schmeißt ihn gegen die trügerischen Glaswände, die ihm Sicherheit suggerieren, aber in Wahrheit ein transparentes Gefängnis sind.

Wenn Ihnen als Tatsache bewusst wird, dass Sie und der schöpferische Grund keine zwei Personen sind – wenn Sie das so real sehen wie jenen Stein, dann sind Sie imstande, Energien auszulösen, die alle Zwänge und Unfreiheiten wie ein Sturmwind hinwegfegen. Die wahre Sicherheit wächst aus dem Aktiv Werden des in Ihnen schlummernden Energiepotenzials. Und als Zündfunke wird allein Ihr ehrliches Gewahrsein gebraucht.

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2 Antworten zu Freiheit versus Sicherheit

  1. gitti sagt:

    Lieber Herr Fischer!
    Diese Freiheit von der Sie schreiben, entsteht aus dem Erkennen des eigenen schöpferischen Grundes. Ich bin eher ein Mensch, der sich etwas zurückhält, darum hat mich der Satz “ die wahre Sicherheit wächst aus dem Aktiv Werden des in ihnen schlummernden Energiepotenzials“…. sehr angesprochen.Leider lasse ich mich manchmal von der Energie der Masse blockieren, obwohl ich die Wahrheit erkenne.
    Das ehrliche Gewahrsein beinhaltet auch eine große Eigenverantwortung-und das ist auch gut so! Man sollte nur die Energie der „trägen Masse“ nicht unterschätzen.
    Mit lieben Grüßen Gitti

  2. Taononymus sagt:

    Lieber Herr Fischer,

    Sicherheit ist oft leider nur die Verpackung für etwas anderes, das vielen Menschen tausendmal wichtiger ist als eine Verminderung ihrer Existenzrisiken, was Sicherheit der reinen Wortbedeutung nach ja eigentlich sein sollte.
    Sicherheit klingt modern, vernünftig, rational und ist, da ein gesellschaftlich anerkannter Wert, bestens zum Verpacken eines viel unschöneren Inhalts geeignet, der seelisch-geistigen Trägheit nämlich, dem eigentlichen aber gerne verheimlichten oder verdrängten Sehnsuchtsziel vieler Menschen.
    Sogar Druck, operative Hektik und Hyperaktivität werden ja sehr gerne in Kauf genommen, solange man unbequemen Fragen, unangenehmen Gefühlen, Veränderungen, Menschen, schmerzhaften Auseinandersetzungen, kurzum allem, was einen aus seiner eingefahrenen Bequemlichkeit reißen könnte, ausweichen kann.
    Und die Folge, dass viele an sich ganz normale Gegebenheiten des menschlichen Lebens durch jahrelanges Ausweichen und Wegschauen überhaupt erst zu Risiken heran gezüchtet werden, wird dabei billigend in Kauf genommen.

    Der „moderne Pharao“, so er willige „Kräfte“ für seine „Baustelle“ braucht, bietet diesen also eine geistig-seelisch träge, wenn auch äußerlich betriebsame Existenz in der Hierarchiepyramide seiner „Baustelle“ und damit genau das, was „die Masse“ haben will. Der Aufgabe, „seinen Leuten“ echte Sicherheiten zu bieten, der muss er sich dabei heutzutage genauso wenig stellen wie dem Stress, ihnen irgendwelche Freiheiten abzutrotzen. Denn solange er sie in der bequemen „Comfort Zone“ gesellschaftlich anerkannter Normen hält, schauen sie ihm nicht auf die Finger, das wäre ja unbequem, fordern nichts, stören nicht, ordenen sich ein und verzichten damit nur allzu gerne auf beides: Freiheit UND Sicherheit.
    Auf so einer „Baustelle“ reicht es dann auch völlig, wenn „der Pharao“ hin und wieder etwas von Sicherheit und/oder Freiheit erzählt. Ab und zu eine mitreißende Powerpoint-Präsentation des Top-Managements, von der Pyramidenspitze ans Fußvolk gerichtet, und schon ist die Welt wieder in Ordnung. Vielleicht noch eine private Lebensversicherung oben drauf, damit man sich wirklich um nichts mehr kümmern muss, hauptsache bequem eben, ganz egal wie sicher oder unsicher. Denn eigentlich wissen alle ganz genau, dass „der Pharao“ jeden einzelnen von Ihnen jederzeit nach Gutdünken von seiner Baustelle scheuchen oder auch gleich die ganze Baustelle schließen kann. Worauf nicht wenige dann binnen Jahresfrist von „Freiheit und Sicherheit“ einer Hartz-IV-Existenz erwartet werden.

    Die Gleichung nach der die Massengesellschaft hier funktioniert heißt daher glaube ich nicht „Freiheit versus Sicherheit“, sondern eher „Trägheit und Bequemlichkeit versus Sicherheit UND Freiheit“. Letztere werden beide zwar ständig verbal beschworen aber gleichermaßen leichtfertig geopfert sobald irgendwer den Menschen auch nur einen Zipfel der beiden ersten unter die Nase hält.

    Und Benjamin Franklins für unsere Ohren relativ „amerikanisch“ klingender Spruch bekommt damit nur allzu Recht, denn wer zu bequem ist, für seine Freiheit zu sorgen, der verliert mit ihr zusammen auch seine Sicherheit. Zwischen Freiheit und Sicherheit gibt es unbequemer Weise nämlich kein Entweder-Oder. Freiheit kann gar nicht gegen Sicherheit eingetauscht werden, denn Freiheit ist eine Voraussetzung der Sicherheit, nicht etwa ihr Preis. Bleibt also nur die Wahl zwischen einem unbequemen Sowohl-Als-Auch oder dem bequemen Weder-Noch 🙂

    Viele Grüße,
    Taononymus

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