Gedanken zum Weihnachtsfest

Albero di Natale 002 WeihnachtsbriefDie Zeitspanne vom ersten Advent bis zum Neujahrstag stellt im Vergleich zum Alltag der anderen elf Monate einen gewissen emotionalen Ausnahmezustand her. Bei vielen Menschen erwacht alle Jahre die Erinnerung an glückliche Weihnachtsfeste der Kindheit wieder, begleitet von leiser Wehmut über nie wiederkehrende Zeiten. Man schenkt und lässt sich beschenken und findet darin einen gewissen Ausgleich für Gefühle, die für immer dahingegangen sind. Andere Menschen verweigern sich der Sentimentalität der Glocken, die süßer nie klingen, sie reagieren deutlich ablehnend auf das Fest und lassen dies jeden, der es hören oder nicht hören will wissen. Trotzdem können sie tief drinnen im Herzen der allgegenwärtigen Stimmung nicht entkommen. Statt sich wenigstens einmal im Jahr unbeschwerten, vielleicht sogar leichtsinnigen Glücksgefühlen hinzugeben, werden die eisernen Jalousien heruntergelassen und man kompensiert seinen Daseinsfrust mit Drogen oder Alkohol. Natürlich klopfen die ausgesperrten Lebensprobleme spätestens nach Dreikönig wieder an die Tür und wollen gelöst werden. Aber es macht einen gewaltigen Unterschied, ob ihnen jemand während der Festtage Asyl gewährt und sie im Keller, sprich im Unbewussten, versteckt, damit kein anderer merkt, wie schlecht es ihm wirklich geht, oder ob es ihm gelingt, seinen Sorgen für eine Weile das Recht ihn zu quälen abzusprechen. Und dies – soweit es Sie betrifft – aus einer Geisteshaltung heraus, die Sie befähigt, aus einer anderen Perspektive auf Ihr Leben zu schauen. Erteilen wir kurz einem Philosophen der Neuzeit (Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico philosophicus) das Wort: Die Lösung des Problems des Lebens merkt man am Verschwinden dieses Problems. Ist dies nicht der Grund, warum Menschen, denen der Sinn des Lebens nach langen Zweifeln klar wurde, diese dann nicht sagen könnten, worin dieser Sinn bestand?

Ich möchte Ihnen zum Fest gerne wünschen, dass Sie in diesen besinnlichen Tagen aus eigener Einsicht das Geheimnis der Lebenskunst entschlüsseln, das vor allem wegen seiner Einfachheit von ganzen Völkerstämmen nicht verstanden wird: Lebenskunst bedeutet, seinen Lustgewinn aus der Tatsache seines Vorhandenseins zu ziehen! Dass es Sie gibt, dass Sie diese unglaubliche Fülle von Sinneserfahrungen erleben, ist bereits das Geschenk Fortunas. Im Erleben der Dinge, ohne ihnen den geringsten Widerstand entgegenzusetzen, entsteht bereits das Gefühl von Richtigkeit, von Stimmigkeit, nach dem Sie sich sehnen. Und dieses Gefühl berührt während der Festzeit auch das Kollektiv unserer Wohlstandsgesellschaft. Wer sich in diesen Tagen der Feststimmung hingibt, die in der Luft liegt, tut damit etwas, das ihm ohne die kommerziell aufgeheizten Emotionen das ganze Jahr über gelingen würde, wenn er, wie gesagt, sich an das Geheimnis der Lebenskunst hielte, also sein Vorhandensein bereits als außerordentlichen Glücksumstand betrachten würde. Das mag Ihnen zu sehr nach Geschwätz klingen, wie ein „Um den Brei herumreden“ vorkommen, aber das täuscht. Denn synchron mit Ihrer aus der Freude am Sein realisierten Lebenskunst wächst Ihr Einfluss auf dieses Leben! Der wesenhafte Mensch hat auch zu seinen Sorgen und Problemen eine andere Einstellung gefunden. Er braucht sie anlässlich der Feiertage nicht vor die Tür zu sperren oder im Keller zu verstecken – es besteht keinerlei Handlungsbedarf, etwas anderes zu tun als die Monate vorher: Er ist im Mitgehen, im sich Mitbewegen mit den Vorgängen seines Lebens in seiner psychischen Struktur so durchlässig wie eine Tüllgardine geworden. Die negativ polaren Einflüsse seines Daseins finden keinen Halt in seinem Gehirn mehr, weil er in dieser Zustimmung zum Sein seine geistige Identität gefunden hat – und in der gibt es keine Zellverbände, in denen sich Konflikte einnisten und ihn plagen könnten.

Mit anderen Worten: bleiben Sie locker, gelöst, frei, heiter, unbeschwert. Beginnen Sie jetzt damit – aber lassen Sie sich im neuen Jahr nicht wieder auf die schmutzigen Spiele Ihrer alten Emotionen ein. Entscheiden Sie sich für diese ungewöhnliche Form von Freiheit. Und belassen Sie es bitte nicht bei Absichtserklärungen, wenn Sie dieses Thema mit einem Menschen diskutieren, der Ihnen nahe steht. Wir werden in der Politik inzwischen grundsätzlich mit Absichtserklärungen abgespeist. An Stelle von Taten wird die Absicht verkündet, etwas zu tun. „Ich neige dazu, durchlässiger zu werden, mich emotional stärker, intensiver, wacher mit den Dingen zu bewegen.“ Wenn Sie zu derartigen Erklärungen neigen, hilft Ihnen das überhaupt nichts. Geben Sie sich keine Versprechen. Man kann sich mühelos selbst betrügen, indem man Absichtserklärungen ans eigene Ich adressiert: „Ich werde es tun“, ist eine davon. Tun Sie es. Und lassen Sie sich nochmals alles Glück und Gelingen wünschen.

In diesem Sinne wünschen Sabine und ich Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und die Erfüllung Ihrer Wünsche und Sehnsüchte.
Ihr Theo Fischer

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10 Antworten zu Gedanken zum Weihnachtsfest

  1. Der Sinn des Lebens

    Was ist überflüssig und was ist der Sinn des Lebens? Wer über „diese Welt“ nicht hinaus denken kann und sich nicht eingehend mit der Zukunft beschäftigt hat, könnte endlos darüber nachdenken, ohne eine Antwort zu finden. Glücklicherweise gab es jemanden, der weiter dachte als alle anderen:

    „Ich glaube – und hoffe – auch, dass Politik und Wirtschaft in der Zukunft nicht mehr so wichtig sein werden wie in der Vergangenheit. Die Zeit wird kommen, wo die Mehrzahl unserer gegenwärtigen Kontroversen auf diesen Gebieten uns ebenso trivial oder bedeutungslos vorkommen werden wie die theologischen Debatten, an welche die besten Köpfe des Mittelalters ihre Kräfte verschwendeten. Politik und Wirtschaft befassen sich mit Macht und Wohlstand, und weder dem einen noch dem anderen sollte das Hauptinteresse oder gar das ausschließliche Interesse erwachsener, reifer Menschen gelten.

    Die Schaffung von Reichtum ist durchaus nichts Verachtenswertes, aber auf lange Sicht gibt es für den Menschen nur zwei lohnende Beschäftigungen: die Suche nach Wissen und die Schaffung von Schönheit. Das steht außer Diskussion – streiten kann man sich höchstens darüber, was von beidem wichtiger ist.“

    Arthur C. Clarke (Profile der Zukunft)

    Um den Kinderkram überflüssig und alles Sinnvolle nicht nur erstrebenswert, sondern auch für alle Menschen erreichbar zu machen, bedarf es „lediglich“ der Überwindung der Religion, der Entwicklung des Menschen zum „Übermenschen“ (nach Nietzsche).

    Dass diese Entwicklung erst heute erfolgen kann, liegt nicht an mangelndem Wissen, das in den wesentlichen Grundzügen erstmals durch den Propheten Jesus von Nazareth erkannt und bereits vor der Geburt von Sir Arthur Charles Clarke von dem Sozialphilosophen Silvio Gesell explizit beschrieben wurde, sondern an der Unterdrückung des Wissens durch alle aktiven und passiven Erfüllungsgehilfen von Politik (Machtausübung) und Religion (Machterhalt). Aktive Erfüllungsgehilfen sind jene, die etwas „regeln“ wollen, was nicht geregelt werden kann, solange es sich durch das vom Kapitalismus befreite Spiel der Marktkräfte nicht selbst regelt; und die passiven Erfüllungsgehilfen sind alle, die nicht selber denken wollen, sondern sich diesen tatsächlich sinnfreien Existenzen unterordnen.

    Getreu dem Motto „wer nicht hören will, muss fühlen“ wird somit der eigentliche Beginn der menschlichen Zivilisation, die Natürliche Wirtschaftsordnung, allein durch das Verhältnis zweier kollektiver Ängste bestimmt. Die reale Angst vor der bevorstehenden Auslöschung unserer gesamten „modernen Zivilisation“ durch die globale Liquiditätsfalle (Armageddon) muss insgesamt größer werden als die seit Urzeiten eingebildete Angst vor dem „Verlust“ der Religion, dem Erkenntnisprozess der Auferstehung:

    Jüngstes Gericht

    • Chris sagt:

      Viel Text Stefan, mit dem ich nicht wirklich etwas anfangen kann, geschweige denn verstehe. Ich frage mich, wie es den anderen Lesern ergeht?
      Ich habe die Einstellung, dass eine Beschäftigung mit der Zukunft unnötig und verschwendeter Kraftaufwand ist. Man sollte jeden Augenblick mit Aufmerksamkeit begegnen und im Jetzt handeln. Alles Weitere wird sich zum Besten entwickeln. Man wird sehen, was kommt. Klar ist das für die meisten Menschen sehr schwer zu verstehen und zu verwiklichen, da unsere Konditionierung dem entgegengesetzt ist.

    • Taononymus sagt:

      Lieber Herr Wehmeier,

      die Zukunft hat der Menschheit nur eine einzige Möglichkeit zu bieten, das Ende ihrer Existenz nämlich.

      An diesem Ende kann die Menschheit auf zwei möglichen Wegen ankommen, die nur rein äußerlich betrachtet grundverschieden sind. Da wäre zum einen die schnelle Tour à la Homo „Sapiens“, d.h. die Selbstausrottung durch Dummheit.
      Oder zum anderen die langsamere Variante nach Art des schöpferischen Urgrunds, d.h. schrittweises Verschwinden der Menschheit durch ihre fortwährende Veränderung bis hin zu ihrem Aufgehen in einer neuen Spezies. Und auch eine solche Nachfolgespezies des Menschen hätte langfristig, wenn es „gut“ für sie läuft, dann wieder kein anderes Schicksal als die Menschheit selbst.

      Rein aus dem Bauch heraus mag uns die letzte der beiden Möglichkeiten „besser“ oder „sinnvoller“ erscheinen als die erste. Aber mit dieser Vorabbewertung von uns möglicherweise nachfolgenden Arten begeben wir uns in die Position eines prähistorischen Affen, der versucht, sich mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln ein Bild von der heutigen Menschheit auf der heutigen Erde zu machen.

      Selbst wenn irgendwelche „genialen Visionen“ eines superintelligenten Exemplars prähistorischer Affen der heutigen Wirklichkeit dabei sehr nahe kämen, könnte dieser Affe einer simplen aber schmerzhaften Einsicht dabei nicht ausweichen. Müsste er doch wahrnehmen, dass die Zeit der prähistorischen Affen in der Zukunft gründlich vorbei sein wird. So gründlich vorbei, dass die Zukunft nichts Sinnvolles zu seinem prähistorischen Affenleben beitragen kann.
      Und noch etwas könnte er aus seinen „genialen Visionen“ ersehen. Nämlich dass die Zukunft sich bei ihrer Entfaltung der unfassbaren Möglichkeiten des schöpferischen Urgrundes „bedient“ anstatt sich an den Extrapolationsversuchen seines beschränkten Affengeistes entlang zu hangeln.

      Sollte es dem prähistorischen Affen an dieser Stelle endlich dämmern, dass ihm sein bisschen prähistorisches Affenleben zwischen den Fingern zerrinnt, während er verzweifelt versucht, einer Zukunft, in der er nichts verloren hat, Sinn abzuringen, wäre er unter Umständen sogar weiter gekommen als so mancher heutige Erdenmensch.

      Viele Grüße,
      Taononymus

      • A.B. sagt:

        Mit Tao hat das alles nichts zu tun und dem Thema „Gedanken zum Weihnachtsfest“ auch nichts! Warum also diese Selbstdarstellung, die Sie doch besser auf die eigenen Webseiten verlagern könnten!

        Einfach mal nachdenken!
        Viele Güße
        A.B.

  2. A.B. sagt:

    Lieber Herr Fischer,

    Ihnen, Ihrer Gattin und den Lesern ein frohes gesegnetes Weihnachtsfest und alles Gute für 2013.
    Warum erscheint hier alles so kompliziert? Wir können uns doch auch einfach hinsetzen, die weihnachtliche Stimmung genießen und unseren Gedanken und Gefühlen einfach mal freien Lauf lassen. Dann stellt sich ganz sicher auch der gewünschte Frieden ein, der uns eine schöne Zeit bereitet und den gewohnten Alltag von uns fernhält.

    In diesem Sinne liebe Grüße
    A.B.

    • Chris sagt:

      A.B.: Warum schränken Sie den freien Lauf Ihrer Gedanken und Gefühle auf die weihnachtliche Zeit ein? Wie wäre es, wenn Sie dieses Verhalten den Rest des Jahres über anwenden? Dann würde der Frieden auch in Ihrem Alltag einziehen und Sie würden den Alltag nicht als Alltag empfinden, sondern als glückliche Zeit.

      • gitti sagt:

        Hallo Chris!

        Auch ich habe „dieses unbedingt aus dem Alltag ausbrechen müssen“ nicht. Tag für Tag ein bewußtes Leben zu führen ist Abenteuer genug.Diese aufgeheizten Emotionen zu Weihnachten schränken mich eher ein.

        Alles Liebe und Gute für das Neue Jahr an Alle auf der Taobaustelle Gitti

      • A.B. sagt:

        Jetzt ist Weihnachten und der Jahreswechsel, da geht es genau darum! Über das, was im übrigen Jahr ist, habe ich kein Aussage gemacht! Sie machen hier einen Perspektivenwechsel, was meiner Meinung nach wenig hilfreich ist!

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