Gesunder Menschenverstand

Einst hieß das „gesunder Menschenverstand“:
Verstand, der gesunde Menschen verstand.
Der kam uns abhanden, und nicht ohne Grund:
die wenigsten Menschen sind heut noch gesund.
Mascha Kaléko

Wenn ich im Weltraum unterwegs wäre und ein Außerirdischer würde mich fragen, ob ich einer von d e n e n sei, würde ich echt in Verlegenheit kommen, meine Zugehörigkeit zu dieser Gattung von Lebewesen zuzugeben. Man braucht nur eine Woche – was sage ich – einen einzigen Tag die Nachrichten zu hören und steht vor der Frage, was das denn für Lebewesen sind, die da unsere Mutter Erde durch ihr Verhalten kontinuierlich schänden. Wenn ich täglich sehe, wie schrottreife Boote von Afrika her das Mittelmeer überqueren und, falls sie überleben, Menschenmassen in Italien an Land gehen und die Einwohner dort wissen nichts mit ihnen anzufangen als die Überlegung, wie man sie so rasch wie möglich wieder los wird. Da rinnt in Japan täglich radioaktives Wasser in den Pazifik und die Fische werden vergiftet und in Syrien streitet man sich um die Entsorgung tödlicher Gifte.

Mascha Kaleko hat Recht. Ich schätze, wenn es diesen rächenden Gott tatsächlich gäbe, hätte er angesichts dieser Zustände längst den Stecker herausgezogen. Aber was haben derartig kritische Überlegungen mit Ihnen und mir zu tun? Können wir etwas ändern? Die Antwort lautet Ja und Nein. Nein in dem Sinne, dass wir am Zustand der Welt kaum etwas bessern können. Aber wir können die Veränderung in unserem eigenen Geist vollbringen. Und zwar, indem wir im Geist energisch Nein zu alledem sagen, was da draußen geschieht – bis hin zum dummen Geschwätz gewisser Politiker. Im Innern stimmen wir nicht zu, wir lehnen ab. Und da unser Gehirn, das Ihre ebenso wie das meine, das Gehirn der Menschheit ist, wirken wir durch unsere individuelle innere Protesthaltung auf das Gesamtgeschehen ein. Unser Nein zu gewissen Dingen mag wie ein Regentropfen in der Sahara wirken – aber aus der Summe dieser Tropfen können Regenfluten entstehen, und die sorgen dann dafür, dass in der wüstenähnlichen geistigen Dürre wieder Gedanken der Vernunft wachsen.

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6 Antworten zu Gesunder Menschenverstand

  1. Thomas sagt:

    Natürlich wünschen wir uns nur das Gute auf der Welt und zwar nicht nur beim Menschen. Stellen wir uns nur eine Erde vor, ohne Eis- und Hitzewüsten, mit überall angenehm sommerlich milden Klima. Es wäre das Paradies. Aber was wäre, wenn alle kulturellen Errungenschaften, aller Fortschritt und aller Humanismus vor allem auf dem Leid, der Ungerechtigkeit und Gewalt unter den Menschen gründen würde? Wenn das sogenannte „Schlechte“ ein essentieller Bestandteil des göttlichen Planes ist? Wenn Mangel und Entbehrung als gewollter, spannungsgeladener Gegenpol das Rad des Lebens am Laufen halten?
    Dachte ich früher, ich müsste Verständnis erwerben und es zum sogenannten „Besseren“ einsetzen, so weiß ich heute, dass die eigentliche, wirkliche Herausforderung eine ganz andere ist: Gelassenheit zu bewahren im Angesicht des Scheiterns und Versagens der Welt und der einzelnen Menschen mit dem Wissen, wie einfach und spielerisch leicht Wachstum und Veränderung sein kann. Heute weiß ich, dass mein eigenes Wachstum und das endlose Abenteuer meiner eigenen Veränderung ein Projekt ist, mit dem ich alle Hände voll zu tun habe.
    Ich blicke stattdessen nun unüchtern auf den kümmerlichen Erfolg vieler Jahre voller endloser Gespräche, geduldiger Ermutigungen und überwältigender Beweise und stelle fest, dass all das den Aufwand so gut wie niemals rechtfertigte. Was blieb dafür bei einem selbst alles unerledigt? Nein, man überzeugt so gut wie niemanden und schon gar nicht mit Sprache. Das einzige, was wirklich überzeugend ist, ist ein gelungenes Leben und der einzige, den man damit wirklich überzeugt, ist man selbst. das ist kein Fatalismus, denn auch die eigenen Kontaktpunkte zur Welt und den anderen Menschen verändern sich. der Unterschied ist nun aber: jetzt ist es Sache der anderen, sich mehr recht oder schlecht um ihr Leben zu kümmern und nicht mehr die meine. Das Angebot liegt aber immer auf dem Tisch.

    • gitti sagt:

      Gute Gedanken von Thomas…….
      Dieses Gutsein-Wollen erzeugt Widerstand und wie man in der Gesellschaft sieht, entstehen daraus die sogenannten Gutmenschen und dieser Tugendterror.
      Ein authentisches Leben zu führen ist eine Sache für die Stille. Gehe ich aus dieser enstandenen Reife in die „Welt hinaus“, brauche ich mich nicht zu bemühen edel, großmütig oder was auch immer zu sein. Alles entsteht von selbst ohne Regeln und Verhaltensnormen. Der Mensch des Weges sucht nach dieser Unabhängigkeit, ohne isoliert zu sein. Liebe Grüße Gitti

  2. lorenzvg von Gottberg sagt:

    Mir fällt in dem Zusammenhang die „Eiflügelige Taube“ ein, die ich als Metapher für zahlreiche Auseinandersetzungen im Kontext mit Behandelten benutze. Zum Beispiel:

    Und –
    Das große Feld der Religionen im Blick der „Sandstürme für die Augen der Menschheit“!
    Was wurden um die „göttliche“ Gestalt Jesus Christus herum nicht alles an Phantasien, Lügen und Märchen gesponnen. Man nehme die Vatikanstadt als ein in vielen Facetten leuchtendes Beispiel mit ihren Ritualen, ihren Kunstschätzen, ihrem prächtigen äusseren Glanz, um Macht über Menschen zu erlangen, aufgebaut auf einer Ideologie, die eine Jenseits-Vertretung für sich beansprucht, Verhaltens-Kodizes vorschreibt, Gläubige zu Abhängigen macht, Menschen die freie Selbstbestimmung raubt und allenthalben Angst verbreitet, das alles auf der Basis einer Legende, deren Wahrheitsgehalt in vielen ihrer Ausprägungen nicht wirklich nachprüfbar, beweisbar ist.

    Wieviel einflügelige Tauben mag es geben, die bereis Teil unseres Bewusstseins sind und damit unsere Handlungen, unser Denken bestimmen.
    Um so mehr ist es sinnvoll und richtig, sich auf sich selbst und damit auf seinen Urgrund zu besinnen, teilzuhaben am ganzheitlichen Wissen des Universums, Teil zu sein von Allem, um in diesem Konsens den Weg zu sich zu finden.
    Tao und WUWEI.

    Zitat aus „An der Quelle des Tao“, von Theo Fischer:ä

    • gitti haas sagt:

      ich bin überrascht wie „klug“ wir damals (2013) schon waren. Ob sich in der Welt was geändert hat?? Ich bin noch immer auf dem Weg und werde es auch bleiben.
      In der Welt fühle ich mich manchmal alleine, doch in der Stille fühle ich ein Getragensein. Aber leicht ist es nicht.
      Liebe Grüße aus dem verschneiten Salzkammergut Gitti

      • Sabine sagt:

        da bekanntlich der Weg da Ziel ist, ist es doch völlig in Ordnung, das Leben lang auf dem Weg zu sein. Und dass es leicht ist, hat keiner gesagt oder geschrieben. Ich bin froh, wenn ich jeden Tag ein bisschen weiter komme, ein bisschen was dazu lerne, ein bisschen mehr verstehe. Die Welt wird sich dadurch nicht ändern (fürchte ich), aber mein direktes Umfeld vielleicht doch.

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