Wir sind intelligente Lebewesen. Die Evolution unserer technischen Fähigkeiten schreitet im Eiltempo voran. Um das Jahr 1970 herum habe ich bei einem Kunden einen Computer von General Electric mit einer Festplatte von zwei mal 90 Megabyte eingerichtet. Das Plattenlaufwerk hatte die Grundfläche eines Geschirrspülers, war doppelt so hoch und brauchte ein klimatisiertes staubfreies Milieu um zu funktionieren. Heute liegt in einer Schublade als Reserve und für Datensicherung eine mobile Festplatte von der Größe eines Taschenkalenders. Ihr Fassungsvolumen beträgt 120 Gigabyte. Der Entdecker dieser Mikro-Speichertechnik bekam neulich vom Bundespräsidenten einen seiner zahlreichen Preise verliehen. Er sieht aus wie jedermanns liebenswerter Großvater und wer ihn nicht kennt, käme nie auf die Idee, dass ihm die Revolution der Datenspeicherung gelungen ist. Das Gehirn eines Menschen mit überdurchschnittlichen Leistungen ist kein bisschen anders gebaut als das von Leuten, die gerade mal lesen und schreiben können. Natürlich unterscheidet sich der virtuelle Bereich im Kopf jedes Individuums von allen anderen, weil die Zellverbände je nach dem Grad seiner Lebenserfahrung und seines Wissens unterschiedliche Verknüpfungen aufweisen. Es beginnt natürlich wie so vieles in unserem Leben in der Kindheit. Wer sehr früh fördernde Impulse bekam, hat einen anderen Start als ein geistig vernachlässigtes Kind. Aber solche frühen Versäumnisse lassen sich bis zu einem gewissen Grad nachholen. (Einstein soll angeblich auch kein exzellenter Schüler gewesen sein.) Die anfänglichen Chancen mögen verschieden sein und Verständnisschwäche ist entschuldbar, solange sie in einer Phase auftritt, in der ein heranwachsender Mensch in seinem sozialen Milieu hindernden Einflüssen ausgesetzt ist. Aber dann kommt der Augenblick, in dem er für seine weitere geistige Entwicklung die Verantwortung und vor allem die Initiative übernehmen muss. Und diese Umschaltstation wird leider in sehr vielen Fällen übersehen. Die Möglichkeiten, die das Leben dem allezeit empfänglichen Gehirn offeriert, bleiben ungenutzt oder werden nur halbherzig wahrgenommen.
Wir alle hätten – geniale Begabungen wie die eines Mozart einmal ausgenommen – von der Beschaffenheit unseres Gehirns her durchaus das Rüstzeug zu einer intelligenten individuellen Evolution im Oberstübchen. Es mag sich nach Misserfolgen eine gewisse Resignation einstellen, die spontane Impulse von Erkenntnis ausbremst. Man sagt sich, „du begreifst das sowieso nicht, also lass es sein“, und bleibt an einem unbestimmten Zeitpunkt auf dem Niveau seines nur unvollständig entwickelten Verständnisses über das eigene Leben stehen. Das wäre nicht nötig. Nach dem Polaritätsprinzip sind Misserfolge unvermeidbar und gehören zu den Reizmitteln, die den menschlichen Fortschritt antreiben. Ein gesundes Gehirn lernt kontinuierlich dazu. Im taoistischen Sinne ist es ein Lernen, dessen Schwergewicht nicht die weitere Ansammlung von Wissen ist – es ist ein Lernen, das permanent mehr Erkenntnis gewinnt. Sich diesem Wachstum an Erkenntnis zu verweigern, aus Resignation, Frust oder Trägheit, ist die am weitesten verbreitete Sünde an unserem Lebensglück. Und wenn Sie sich nun überlegen, ob Sie selber zu dieser Kategorie von Menschen gehören, die zu früh aufgegeben haben, dann kläre ich Sie gerne auf, woran Sie dieses Syndrom erkennen können.
Eine Voraussetzung für Glücklichsein ist das leidenschaftliche Interesse am Leben. Eine Facette dieses Interesses ist das Bedürfnis, immer aufs Neue zu lernen und zu verstehen. Sie sagen, das würden Sie tun. Womit eigentlich die Grundlage für Wachstum und Gedeihen gegeben wäre. Das beginnt mit den kleinen Dingen. Das Muster eines Erkenntnisvorgangs macht zwischen kleinen und großen bis gewaltigen Einsichten keinen Unterschied. Weil in jedem menschlichen Gehirn die Fähigkeit angelegt ist, intuitiv aus dem Potenzial der Menschheit zu schöpfen. Drahtlos – man sagt heute „wireless“ dazu – erschließt sich das geheime Wissen des Universums demjenigen, der zuzuhören bereit ist. Eine Kopie des Buches der Menschheit samt allen Einsichten ist in jedem Menschen angelegt. Die Quelle des Lernstoffes tragen wir untrennbar, unzerstörbar ständig mit uns herum. Aber anstatt uns selbst an der eigenen geheimen Fülle zu bedienen, stellen wir endlos Fragen nach dem Woher, Wohin und wir suchen möglichst bequeme Methoden, um höhere Mächte gnädig zu stimmen, damit sie uns vom Übel eines leidgeprüften Daseins erlösen. Misserfolg hat in diesem Zusammenhang eine gar nicht geheime Formel. Sie lautet: „Wie macht man das?“ Wir wollen von anderen, die es wahrscheinlich ebenso wenig wissen, erfahren, wie die Rezepte für ein gelungenes Leben lauten. Und wir sind mit Pauschalauskünften niemals zufrieden. Wir wollen es genau wissen, und dies, obwohl wir es aus eigenem Vermögen weitaus besser erfahren könnten.
Wenn Ihnen jedes Mal, wenn Sie Auskunft suchen, dieses „Wie macht man das?“ auf der Zuge liegt, dann leiden Sie an dem Syndrom. Ein Beispiel: Sie lassen sich eine Waschmaschine vorführen. Der Verkäufer erklärt Ihnen, wie sie bedient wird. Man macht die Tür auf, tut die Wäsche hinein, schließt die Tür, gibt oben in den Schacht Waschmittel dazu und wählt schließlich unter drei oder vier angebotenen Möglichkeiten die Wärmestufe des Waschvorganges aus. Also wären alle wissenswerten Punkte geklärt. Und dann kommt Ihr Leiden, alles noch genauer, ja genauestens wissen zu wollen zum Ausbruch. Sie fragen: „Und wie macht man das?“ und der Verkäufer fällt vor lauter Frust in Ohnmacht. Die Waschmaschine verwende ich als Symbol. Ich könnte als Beispiel auch Aufgeben nehmen. Wenn jemand den Rat bekommt, sich selbst aufzugeben, dieses verkrampfte Anklammern an sich aufzulösen, ist es unmöglich, diesen Vorgang Schritt für Schritt zu erklären, weil es kein Rezept dafür gibt. Aber wenn Sie eine Krise hinter sich haben, in der Sie bis zur Erschöpfung gekämpft und mit sich gerungen haben, bis schließlich ein Zustand eintrat, in dem Sie sich nicht mehr spürten und auch nicht mehr weitermachen wollten, dann wissen Sie, was mit diesem Sich Aufgeben gemeint ist. Zu fordern, diesen Vorgang ähnlich einem Kochrezept schrittweise vorzuschreiben, ist sinnlos. Der Mensch hat seine Fähigkeiten. Weil er sie hat, soll er sie bitte auch nutzen und nicht erwarten, dass andere Leute ihm Ratschläge erteilen, die schwerer zu formulieren sind, als ein Gehirn sie aus dem eigenen Potenzial schöpfen könnte. Fragen Sie also bitte niemals mehr: „Wie macht man das?“
Dieses Lernen im taoistischen Sinn macht einen sehr lebendig und man braucht nicht unbedingt geniale Leistungen vollbringen. Eine neue Bescheidenheit stellt sich ein. Es zählt eher WIE man etwas tut als WAS man tut. Und kein Mensch hat einem mehr was vorzuschreiben, das finde ich sehr befreiend. Viele Menschen haben aber diese Umschaltstation, wie sie Herr Fischer so gut beschreibt, übersehen. Das tut mir sehr leid! Wie damit umgehen…….?