Ein schönes Wort – da wird einem richtig wohl dabei, wenn man es hört oder gar ausspricht. Doch was verbirgt sich dahinter? Ist jemand, der beschließt, sich selbst zu verwirklichen vorher unwirklich gewesen? Und was wäre das für ein Zustand, diese Unwirklichkeit? Merken Sie es? Wir jonglieren wieder einmal mit Wörtern. Manche dieser schön und erhaben klingenden Begriffe sind in gewissem Sinne nichts anderes als ein Rorschach-Klecks, ein Zufallsgebilde, in das jedes befragte Individuum seine spontanen Ideen hinein interpretieren kann.
Der Wunsch nach der eigenen Verwirklichung wächst in den meisten mir bekannten Fällen – einschließlich meiner eigenen Person – aus der Kindheit mit ihren Konditionierungen heraus. Da wird dem heranwachsenden jungen Menschen seitens der Eltern bei jeder Gelegenheit ein Lebenskonzept aufgedrängt, mit dem sich der in seinen Plänen zu kurz gekommene Vater – oder auch die Mutter – durch ihren Nachwuchs posthum mit verwirklichen möchten. Und es kostet oft viele Jahre, bis es jungen Menschen gelingt, sich von diesem Joch der ihnen auferlegten Verpflichtungen eines Lebensweges fremder Wahl befreien zu können.
In diesem Sinne bedeutet Selbstverwirklichung eigentlich, dass der Mensch seinen eigenen, unbeeinflussten Weg in Richtung Zukunft findet. Dass auf allen Ebenen seines Seins, in seinen Beziehungen, seinen beruflichen Plänen, aber nicht zuletzt auch im Volumen seiner Überzeugungen ein neuer Wind zu wehen beginnt. Und zwar einer, der den strebenden Menschen empor trägt, seinen eigenen, selbst gefundenen Zielen entgegen.
Im taoistischen Sinne wäre Selbstverwirklichung auf einen inneren Vorgang der Erkenntnis ausgerichtet, nämlich jener, dass alle Realität von diesem Selbst durch dessen Wahrnehmung erzeugt, und damit erlebbar wirklich wird. Mit dieser Einsicht würden sich auch die Türen für eine materielle oder wirtschaftliche Verwirklichung öffnen, weil das einsichtige Individuum sich in alle Zukunft seiner eigenen inneren Kraft bewusst ist und sie entsprechend zur Umsetzung seiner Visionen mit Erfolg einsetzt.
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Jaja, so war es auch bei mir. 4 Jahre habe ich mich intensiv mit meiner Lebensvision beschäftigt, um dann im zarten Alter von 36 durch zu blicken.
Vg David
„Eigentlich bin ich ganz anders, nur komm ich so selten dazu“ schreibt Ödön von Horvath.
In dem Buch von Herrn Fischer (Das Tao der Selbstfindung) wird in aller Offenheit erklärt wie wir uns selber immer wieder blockieren. Dies zu erkennen ist ungemein wichtig – um dann ab und zu an den Punkt zu gelangen, wo man Sie spürt….. die eigene Wahrheit!!! die sich ausdrückt in einem Gefühl das schwer zu beschreiben ist. Wer es erlebt hat, weiß ES.
Liebe Grüße Gitti
Hallo Gitti,
das ist wohl die größte Herausforderung (soweit ich es bisher erlebt habe), alle Konditionierungen zu durchblicken, um einen flüchtigen Blick aufs Selbst zu erhaschen.
LG David
es ist auch durchaus möglich sich bereits mit 25 zu „verwirklichen“.. oder besser sich zu „individuieren“..
das wird sich im Übrigen bald weiter ändern, so das man mit 22-23 schon seine „berufung“ gefunden hat
E-man-die-neuen-virtuellen-herrscher
Hallo Ihr,
nach meinem Verständnis stellt Herr Fischer oben zwei grundverschiedene Verwendungen des Begriffs „Selbstverwirklichung“ einander gegenüber.
Da wäre zunächst die uns relativ geläufige psychologisch-autobiographische, die mit dem Begriff „Selbstfindung“ unter Umständen sogar besser benennen kann, was eigentlich gemeint ist.
Nämlich Fragen à la „Wer bin ich wirklich und was wurde mir von anderen Menschen aufgeprägt?“, „Was entspricht meinen wahren Neigungen und Fähigkeiten und was tue ich nur aus Pflichtgefühl?“, „Wie finde ich zu dem was für mich authentisch ist“ etc. etc.
Im Gegensatz dazu aber lese ich aus dem letzten Textabschnitt oben:
„Im taoistischen Sinne wäre Selbstverwirklichung auf einen inneren Vorgang der Erkenntnis ausgerichtet, nämlich jener, dass alle Realität von diesem Selbst durch dessen Wahrnehmung erzeugt, und damit erlebbar wirklich wird.“
eine völlig andere Verwendung des Begriffes „Selbstverwirklichung“ heraus, die sich von der uns geläufigen psychologisch-autobiographischen „Selbstfindung“ grundlegend unterscheidet.
Hier wird mit „Selbstverwirklichung“ nämlich ein natürlicher Vorgang beschrieben, der immer und überall stattfindet und dabei aus sich selbst heraus „Wirklichkeit“ erzeugt, angefangen von der Wirklichkeit des Elementarteilchens über die des Kieselsteins, des Einzellers und der Fruchtfliege bis hin zu der des Menschen.
Ich glaube, bei diesem Vorgang wird auch nichts gefunden, sondern vielmehr erfunden, oder treffender, erschaffen.
Mag sein, dass wir „Westler“, ausgehend von einer kulturellen Konditionierung, die einem solchen „taoistischen“ Verständnis des Begriffs diametral entgegen gesetzt ist, erst einmal eine ganze Menge Konditionierung abstreifen müssen, um das erahnen zu können, was Herr Fischer meinem Verständnis nach mit „Selbstverwirklichung im taoistischen Sinne“ meint.
Dann hätten die beiden so unterschiedlichen Verwendungen des Begriffs hier in der Tat auch einen Berührungspunkt, wird die psychologisch-autobiographische Selbstverwirklichung doch zur Voraussetzung, um überhaupt erahnen zu können, welche Wucht hinter einem Verständnis der Selbstverwirklichung im taoistischen Sinne steckt.
Viele Grüße,
Taononymus
Lieber Taononymus!
Du schreibst da einen interressanten Satz…..“ich glaube,bei diesem Vorgang wird auch nichts gefunden, sondern vielmehr erfunden,oder treffender erschaffen“…..
Wenn wir uns der großen Verantwortung bewußt werden, daß wir Wirklichkeit erschaffen, lohnt es sich jeden Tag bewußt und aufmerksam zu leben. Daraus entsteht eine Art von Disziplin ohne Anordnung von Außen, sozusagen ganz freiwillig.
Liebe Grüße Gitti
Lieber Taononymus,
vielen Dank für deinen erstklassigen Kommentar!
Der von dir beschriebene Unterschied zwischen Selbstfindung und Selbstverwirklichung wurde von mir eher empfunden als klar gedacht.
Du hast ihn prima in Worte gefasst.
Mir bleibt nur anzumerken, dass der Begriff „Selbstverwirklichung“ ja wunderbar den Kern der Sache trifft. Es geht um das Wirken des Selbst und nicht des Ich.
Herzliche Grüße,
Matthias